Mediaplayer:Die geborene Rampensau

Eine großartige Doku über den Komiker und Revoluzzer Russell Brand. Warum regt er sich darüber auf?

Von Bernd Graff

Russell Brand schmollt. Das kann man sich bei dem Komiker, dem keine öffentlich ausgestellte Unverschämtheit fremd ist, gar nicht richtig vorstellen. Bei dem Mann, dessen zweiter Vorname Provokation ist. Bei dem Bühnenmonster, das überhaupt keine Probleme damit hat, während einer Demonstration in London vollgedröhnt auf einen Polizeilastwagen zu klettern, um dort vor aller Welt sein Gemächt zu befingern. Aber tatsächlich: Russell Brand schmollt.

Dieser Strip auf der Demo ist Teil der wunderbaren Dokumentation "Brand: A Second Coming" der Regisseurin Ondi Timoner. Sie ist auf Biopics über komplizierte Männer spezialisiert, hat unter anderem schon Anton Newcombe, den Frontmann der Band Brian Jonestown Massacre, oder den Dotcom-Millionär Josh Harris porträtiert. Ihr Werk über Russell Brand hat sie auf ausdrückliche Einladung des Komikers selbst produziert. Tausende Stunden Filmmaterial hat sie dafür verarbeitet und Brand zweieinhalb Jahre lang, zwischen 2011 und 2014, bei dessen kometenhaftem Aufstieg begleitet. Während seiner Wandlung vom Comedian, Hollywood-Star, Model und Boulevardliebling zum politisch denkenden, öffentlich handelnden und polternden Sozial-Revolutionär zahlreicher Talkshows. Umsturz und Zerschlagung der Konsumgesellschaften stehen heute auf der Agenda des Ex-Mannes der Sängerin Katy Perry. Aber: Russell schmollt nun wegen der Doku, die er sich selbst gewünscht hat, er lehnt den fertigen Film ab. Er hält ihn - so die Regisseurin im Guardian - für "aufdringlich, melancholisch, düster und traurig". Und rät allen Beteiligten, die darin auftreten, dazu, Timoners Arbeit zu boykottieren. Man versteht es nicht.

Mediaplayer: Russell Brand poltert mittlerweile gegen die Doku über sein Leben.

Russell Brand poltert mittlerweile gegen die Doku über sein Leben.

(Foto: Edel)

Dem Mann ist doch, um es salopp zu formulieren, nichts Menschliches fremd. Der sagt, was er zu sagen für richtig hält, der mit expliziten Worten austeilt. Meist spricht er schneller, als ihm die meisten Menschen folgen möchten. Dieser Mann müsste doch eigentlich einstecken können, was nun - überhaupt nicht boshaft, sondern mit emphatischer Distanz produziert - über ihn (und vor allem von ihm) durch die Doku in der Welt ist. Er hat ja darum gebeten, verfilmt zu werden. Ein Mann, der selber freiwillig und verpennt aus dem Bett seines heimischen Schlafzimmers im Bademantel umstürzlerische Videobotschaften an die Welt sendet (über seinen inzwischen ruhenden Youtube-Kanal "Trews"), wird schwerlich die "Aufdringlichkeit" seiner Biografen ins Feld führen können.

Der Film beginnt so: Man steht mit einem Bühnenmanager vor der verschlossenen Toilette, in der sich Russell Brand wegen seines Lampenfiebers eingeschlossen hat. Er hat in wenigen Momenten einen Auftritt vor Hunderten johlenden Fans in einem Theater, wo er seine Show "Messiah Complex" spielen wird - der Messias-Komplex. Che Guevara, Malcolm X und Ghandi sind die Patrone der Show.

Die Kamera begleitet Brand also auf die Bühne und zeigt, wie er vor einem begeistert kreischenden Auditorium die Rolle des unfassbar eitlen, egomanischen Gecken einnimmt, den er als unfassbar eitler, egomanischer Geck darstellt und entlarvt. Recht bald erzählt er auch die ungeschönte Geschichte vom Polizeiauto-Strip während der Demo als drogenbefeuerten Aufmerksamkeitstrip - also selbstsüchtig und völlig unpolitisch motiviert. Die Aktion gerät, so stellt es Brand selber dar, zur peinlichen Exhibitionismus-Schau, die nicht in Ruhm und Glorie, sondern in der banalen Verurteilung wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses endet. Obwohl Brand eine Nervensäge sein kann, ist er doch eine, die weiß, dass sie für ihre Umwelt eine Belastung darstellen kann. Eine geborene Rampensau, ein Medienbluthund ist er. Doch seine neuen politischen Ambitionen haben ihn 2015 in dem britischen Debatten-Magazin Prospect auf Platz vier der Revolutionsdenker nach Thomas Piketty, Yanis Varoufakis und Naomi Klein vorrücken lassen. Ondi Timoners "Brand: A Second Coming" liefert den filmischen Beleg dafür, wie es dazu kommen konnte. Seltsam, dass Brand darüber schmollt.

Brand: A Second Coming ist auf DVD und Blu-Ray erschienen (ab 12,99 Euro) und als Video on Demand erhältlich (ab 3,99 Euro).

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