Mediaplayer:Beim Kiffen erwischt

Gerade wurde dem legendären Regisseur Jacques Tourneur beim Festival in Locarno eine Retrospektive gewidmet. Auf DVD erscheint nun sein glorreicher Western "Great Day in the Morning/Skrupellos". Außerdem: Wim Wenders' "Die Schönen Tage von Aranjuez".

Von Fritz Göttler

Lange träumte Jacques Tourneur, selbst als es keine Aufträge mehr gab in den Sechzigern in Hollywood, doch noch den wahren Horrorfilm zu machen. Über parallele Welten, den elementaren Krieg. "Wir, die Lebenden auf dieser Erde, sind die bedeutendste Minderheit. Warum? Weil es die unzähligen Millionen derer gibt, die ich die Armee der Toten nenne." Auf dem Filmfestival in Locarno im August gab es eine schöne Retrospektive mit seinen Filmen. Er war seit den Sechzigern vor allem ein Favorit der Cineasten, der französischen zumal, sie haben ihn gern aufgesucht und von seinen Erfahrungen profitiert, Bertrand Tavernier oder Pierre Rissient, der nun im Locarno-Katalog bewegende Erinnerungen an seine Zeit mit Tourneur schrieb. In der Zeitschrift Filmkritik hat Wolf-Eckart Bühler 1977 sich Tourneur zu nähern versucht: Die Helden bei Tourneur "entfernen sich, in die Nacht und den Nebel hinein. Sie scheinen nicht in die Zukunft zu gehen, und es ist fraglich, ob die Vergangenheit sie aufnehmen wird. Sie gehen nirgendwohin, und sie kommen nirgendwo an."

Natürlich sprach Tourneur ungern von Horror, lieber vom Kino des Übernatürlichen. Er glaubte daran. Das macht die drei Horrorklassiker, die er für Val Lewtons Produktions-Unit bei RKO machte in den Vierzigern, so erschreckend imaginativ und somnambul, "Cat People", "The Leopard Man" und "I Walked with a Zombie", und es macht den film noir "Out of the Past" ganz glasklar und magisch, in dem der junge Robert Mitchum lernt, dass auch tiefster Verrat ein Lebenssinn sein kann.

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Ein Kino ohne Happy End, besser: ohne Ende überhaupt. "Ich habe einen seltsamen Ruf in den Staaten. Man sagt dort nämlich: Wenn du ein schlechtes Drehbuch hast, dann gib es dem Tourneur, der wird schon damit fertig." Er drehte quer durch alle Genres. Voriges Jahr erschien sein glorreicher Western "Great Day in the Morning/Skrupellos", 1956, auf DVD (Edel). Robert Stack ist ein Spieler/Unternehmer, der aus North Carolina nach Cherry Creek kommt, das jetzt Denver heißt. Es ist 1861, jeder spürt, dass der Bürgerkrieg unvermeidlich ist. Nord- und Südstaatler leben in der Stadt, die Stimmung ist aggressiv, geisterhaft. Raymond Burr ist Jumbo, der Saloonbesitzer, ein lokaler Trump, der sich im Zeichen des Elefanten verkauft. Ein paar Nordstaatler sind schon undercover da, ungeduldig, ihr Chef ist ihnen viel zu schwach und unentschlossen. "I think Mr. Lincoln is too namby jamby for the job. They say the man prays ..."

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Eine weitere Western-Entdeckung: "The Sundowners/Zweikampf bei Sonnenuntergang". Ein LeMay-Templeton-Film, heißt es im Vorspann. George Templeton ist der Regisseur, Alan LeMay Drehbuchautor und Produzent. Er spielte eine große Rolle in Hollywood, nach Romanen von ihm entstanden "The Searchers" von John Ford und "The Unforgiven" von John Huston. Western sind oft Brudergeschichten in den Fünfzigern. Der ruppige Robert Preston ist hier Wichita Kid, er kommt ins Haus des Farmers Tom, will ein frisches Pferd haben und langt mit großer Selbstverständlichkeit nach dessen Pfeife. "Hoorah for O'Riley", singt er in allen möglichen Varianten, "he brings up the sun every day ..."

Wim Wenders, sein neuester Film "Submergence" läuft auf den Filmfestivals von Toronto und San Sebastian, auf DVD erschien nun "Die Schönen Tage von Aranjuez", nach dem Stück von Peter Handke (Warner). Ein Sommerfilm, vielleicht der letzte überhaupt. Eine Frau und ein Mann, Sophie Semin und Reda Kateb, in einem Garten nahe dem sommerleeren Paris, eine Dichterfantasie, irgendwie, aus einem Geisterhaus mit Direktton. Sie sprechen über Liebe, Sex, Selbstverwirklichung. Die Materie des Verlangens. "Wo ist die Frau", fragt sie mit kämpferischem Stolz, "die sich nicht nur deklariert als Frau eines Mannes, sondern die auch lebt als Frau eines Mannes, wie einst in den Western ...". In Wenders' "Der Stand der Dinge" von 1982 gibt der ruhelose Regisseur Friedrich einer Schauspielerin Alan LeMays "The Searchers" zu lesen ... Der absolute Winterfilm dagegen: "Manchester by the Sea" von Kenneth Lonergan (Warner). Schneetreiben, die frische Kälte der neuenglischen Küste, und Casey Afflecks eisige Weigerung, sich seiner Vergangenheit zu stellen.

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Ein Satyrstück zu Tourneurs großem Noir "Out of the Past", zwei Jahre danach, 1949, von Don Siegel, "The Big Steal/Die rote Schlinge" (Koch Media). Eine Jagd nach geklautem Geld, bei dem jeder jeden übers Ohr hauen will, auch Robert Mitchum und Jane Greer, das tödliche Traumpaar bei Tourneur. Schon die Geschichte der Dreharbeiten ist verrückt - weil Mitchum erst mal in den Knast musste, er war beim Kiffen erwischt worden.

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