Media Player:Vergnügungspark für Perverse

Media Player: Bruce Willis (r.) geschäftstüchtig im Science-Fiction-Film "Vice".

Bruce Willis (r.) geschäftstüchtig im Science-Fiction-Film "Vice".

(Foto: Universum)

Bruce Willis verkauft im Thriller "Vice" virtuelle Gewalt in einem Sündenpfuhl voller Roboter.

Von Tobias Sedlmaier

Science-Fiction ist eigentlich das klassische Filmgenre schlechthin, um tiefschürfende Gesellschaftskritik zu üben. Dadurch, dass Entwicklungen der Zukunft aufgezeigt werden, seien sie technologischer, philosophischer, politischer oder biologischer Art, werden immer auch aktuelle gesellschaftliche Prozesse mitgespiegelt. In der Abstraktion einer fremden Welt stechen die Merkmale der eigenen umso grundsätzlicher hervor. Meisterwerke des Genres wie "Blade Runner" sind nicht nur aufgrund ihrer visuellen Kraft, sondern besonders wegen der Fragen, die sie über die menschliche Existenz stellen, visionär.

Eine klare Reverenz an Ridley Scotts Kultfilm ist auch "Vice" von Brian A. Miller, der nicht im Kino gestartet ist, sondern nun als Heimvideo erscheint. Der mit Bruce Willis und Thomas Jane durchaus prominent besetzte Film hat eine, wenn auch nicht neue, so doch reizvolle Grundidee. Es geht um einen Vergnügungspark, einen echten Sündenpfuhl, wie der Name Vice, Sünde, schon sagt. In dem können reiche Geschäftsleute all das ausleben, was nach gesetzlichen oder moralischen Maßstäben als Tabu gilt: Mord, Raub, Vergewaltigung. Die Opfer sind eigens programmierte Roboter, deren Erinnerungen jede Nacht gelöscht werden, auf dass das Schlachten von vorne beginnen kann. Geleitet wird die Anlage von einem - natürlich - skrupellosen Geschäftsmann: Bruce Willis, dessen Umtriebe von einem - natürlich - rauherzigen und idealistischen Polizisten, Thomas Jane, misstrauisch beäugt werden. Und - natürlich - kommt eines Tages der Zufall in Form einer Panne dazwischen und lässt einen der Androiden, Ambyr Childers, auf der Suche nach seiner wahren Herkunft entkommen. Das klingt alles arg nach "Blade Runner", aber auch nach "Westworld", Michael Crichtons Science-Fiction-Western von 1973, in dem Roboter einen Aufstand in einem Vergnügungspark starten.

"Vice" ist ein sehr treffendes Beispiel dafür, was in so vielen Science-Fiction-Produktionen, vor allem in denen, die keine Kinoauswertung erfahren, falsch läuft. Die Stichworte lauten Ehrfurcht und Ernst. Ehrfurcht deswegen, weil die Orientierungen zu starr am Original, am Klassiker, liegt und sich so stark an die Epigonenschaft geklammert wird, dass kaum Luft bleibt für eigene Kreativität. So entsteht Ware von der Stange, die starke Momente in ihren Geschichten nicht genug zu würdigen und zu präsentieren weiß. So auch in "Vice", das ziemlich viele große Motive des dystopischen Science-Fiction-Films wie künstliche Intelligenz, virtuelle Realität oder degenerierte Gesellschaftsstrukturen wenigstens streift. Aber eben keines so richtig behandelt. So sind etwa die Bedenken des Polizisten Roy zunächst auf den kathartischen Effekt der grausamen Vergnügungen konzentriert. Er befürchtet, dass die dort ausgelebte Kriminalität auch auf "seine" Straßen überschwappen könnte. Ein schöner, nicht allzu verbratener Ansatz, der aber nicht mehr konsequent weiterverfolgt wird.

Und da kommt der zweite Punkt ins Spiel, der Ernst: Ist erst die Grundsituation etabliert, der Weg gepflastert, sind die Figuren gesetzt, gibt es davon kein Abweichen mehr. Dann wird auch ein interessantes Setting nur zum Hintergrund für die Action und das eigentliche Thema weicht der Freude an Kugelflug und Verfolgungsjagd. Das kann unterhaltsam sein und im besten Fall hübsch anzusehen - verrät aber auch jegliche politische Intention, die der Film anfangs gesät hat. Damit ist er in jene Niederungen, in die sogenannte Direct-to-DVD-Produktionen, versenkt werden. Dabei hätte doch gerade ein B-Movie das Potenzial dazu, richtig aufs Gas zu drücken. Jenseits der großen Studiomaßgaben könnte man auf Konventionen wie Altersfreigabe und Massentauglichkeit weitestgehend pfeifen, eine infernalische Zukunftsvision entfesseln. Klischeefiguren durch Monströsitäten ersetzen, den Gesellschaftsvertrag zerreißen, den auf unsere Welt gerichteten Spiegel ins Bizarre vergrößern. Aber nein.

Vice ist als DVD und Blu-ray erhältlich, sowie als Video on Demand.

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