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Media Player: So einfach ist er nicht zu stoppen: Adrien Brody als Zauberer "Houdini".

So einfach ist er nicht zu stoppen: Adrien Brody als Zauberer "Houdini".

(Foto: Studiocanal)

Zauber eines Lebens: Der deutsche Regisseur Uli Edel hat für den History Channel eine Miniserie über Amerikas berühmtesten Zauberer gedreht: "Houdini", gespielt von Adrien Brody, ist aufwändig ausgestattet, aber psychologisch recht simpel.

Von David Denk

Der amerikanische Traum hat auch schon bessere Zeiten gesehen. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist so groß wie nie, der soziale Aufstieg, der so untrennbar zur kulturellen Identität der USA gehört, wird immer schwieriger. Auf das Glücksversprechen ist kein Verlass mehr. Je unwahrscheinlicher es wird, desto attraktiver wird es als Stoff für Film und Fernsehen, als Erzählung, ja Märchen aus der guten alten Zeit: Es war einmal in Amerika . . .

Welch schöne Ironie, dass dieser Eskapismus nun ausgerechnet von der Geschichte eines Entfesselungskünstlers befeuert wird, der Geschichte von Harry Houdini, 1874 als Erik Weisz in Budapest geboren, in den USA zum Starmagier (und Spion) avanciert und bald auch in seiner alten europäischen Heimat gefeiert. Der TV-Zweiteiler "Houdini", inszeniert von dem Deutschen Uli Edel ("Der Baader Meinhof Komplex") für den History Channel, zeichnet das außergewöhnliche Leben eines Mannes nach, der sich - wenn man dem Drehbuch von Nicholas Meyer ("Elegy") trauen kann - nichts mehr wünschte als ein außergewöhnliches Leben. "Meine größte Entfesselung war die aus Appleton, Wisconsin", seiner Heimatstadt, erklärt Houdini-Darsteller Adrien Brody aus dem Off. Er hat viel zu erklären. Denn das Skript, basierend auf dem Buch "Houdini: A Mind in Chains. A Pychoanalytic Portrait" von Bernard C. Meyer, dem Vater von Nicholas Meyer, erzählt, was es eigentlich zeigen sollte. Das ist auf Dauer ermüdend - zumal Meyer so lange auf dem Entfesselungsthema herumkaut, bis alle Seile schlaff herabhängen. Kostprobe: "Wann wird Illusion zur Lüge?", "Ich schätze, es gibt manche Dinge im Leben, denen man nie entkommt" oder - in einem Tresor eingesperrt - "Mein Hirn ist der Schlüssel zur Freiheit." Die schlichte Moral: Handschellen kann man knacken, Tresore auch, aber die eigenen inneren Blockaden sind nicht so leicht zu überwinden. "Angst zu haben, heißt, dass ich lebe", spricht Houdini bedeutungsschwanger.

Weil er als Kind mitbekommen hatte, wie sein Vater, der auch nach Jahren in den USA noch kein Englisch sprach, über Nacht als Rabbi der örtlichen jüdischen Gemeinde abgesetzt wurde, legte Houdini einen Schwur ab: "Ich sorgte dafür, dass ich nie so schwach sein würde." Sonderlich glaubhaft ist dies als Motiv in seiner Singularität nicht, Meyers Buch reicht es: Der Zweiteiler beschreibt Houdinis Leben als Kampf - gegen die Dämonen der eigenen ärmlichen Vergangenheit, gegen die Konkurrenz der bewegten Bilder, die ihm seine Popularität streitig machen (ein bisschen wie heute die TV-Serie dem Kinofilm), und in späteren Jahren, nach dem Tod seiner geliebten Mutter (Eszter Ónodi), mit der er zunächst durch Medien vergeblich Kontakt zu halten sucht, auch gegen betrügerische Spiritisten. Anders als diese hat Houdini nie behauptet, magische Kräfte zu besitzen.

Auch wenn er als Houdini etwas unterfordert wirkt, macht es Spaß, Oscar-Preisträger Adrien Brody zuzuschauen, wie er diesem Getriebenen eine Form von Begeisterungsfähigkeit verleiht, die in dieser Intensität den meisten Menschen fremd ist (und wahrscheinlich letztlich auch eine Form von Flucht). Angesichts eines plötzlich am Himmel auftauchenden Flugzeuges verzichtet Houdini vor lauter Verzückung gar auf Sex mit der Dame in seinem Bett, die nicht seine Frau ist. Da steckt die Ehe gerade in der Krise, weil seine Bess (Kristen Connolly aus "House of Cards") sich vernachlässigt fühlt ("Es ist immer nur für die Nummer") - die Nummer in seinem Programm, versteht sich.

Doch Houdini in "Houdini" ist nicht nur Augenzeuge des Aufkommens der Luftfahrt, sondern auch des sich zusammenbrauenden Ersten Weltkriegs und des Siegeszugs von Leinwandhelden wie Charlie Chaplin. Weltgeschichte zieht vorbei - Houdini trifft den deutschen Kaiser und die russische Zarenfamilie samt eines ungewaschen aussehenden Zausels namens Rasputin. Das ist eine schöne Zeitreise, auf die man da mitgenommen wird - Szenenbild, Requisite und Kostüm schöpfen aus dem Vollen. In Kombination mit und kontrastiert von einer munter zoomenden Kamera, Computeranimationen, einem zackigen Schnitt und dem gänzlich unnostalgischen, treibenden Score von John Debney ist "Houdini" drei Stunden kurzweilige Fernsehunterhaltung. Wenn es einem denn gelingt auszublenden, dass das Drehbuch nicht sehr viel Vertrauen in den Intellekt des Zuschauers hat.

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