Letzter Film mit Philip Seymour Hoffman:Wodka Orange gegen den Weltschmerz

Leben und Sterben in God's Pocket mit Philip Seymour Hoffman

Philip Seymour Hoffman (links) als rotgesichtiger, übergewichtiger Tiefkühllasterfahrer, der gefrorene Rinderhälften ausliefert.

(Foto: Universal Pictures Germany)

Ein Tiefkühllasterfahrer gerät in eine saudumme Mordgeschichte und muss ausgerechnet in seiner Stammspelunke ermitteln: "God's Pocket" ist der letzte Film mit dem großen Philip Seymour Hoffman.

Von David Steinitz

Hollywood heißt die Bar, in der die bierbäuchigen Männer des Philadelphier Arbeiterviertels "God's Pocket" ihren Blues ertränken - und natürlich ist diese Sauf-Stube das exakte Gegenstück zu ihrem glamourösen Namensgeber. Am schmierigen Tresen hinter den schmierigen Fenstern sitzt zum Beispiel der herrlich abgehalfterte Lokalreporter Richard (Richard Jenkins). Gegen den täglichen Weltschmerz benötigt er seine fünf Wodka Orange, die er sich alle auf einmal servieren lässt.

Auch ein koboldartiger Bestattungsunternehmer trinkt im Hollywood vor sich hin. Gespielt wird er vom sehr lustigen Briten Eddie Marson, dessen kleine Äuglein mit einem wunderbar hinterhältigen Blitzen die rotnäsigen Trink-Kameraden im Blick haben - alles potenzielle Kunden.

Hoffman wird in eine Mordsgeschichte verwickelt

Und dann sitzt natürlich noch die Hauptfigur dieses bitterbösen Episodenreigens mit beim Feierabend- beziehungsweise Nachmittagsbier: Der große Philip Seymour Hoffman, in der letzten Rolle, die er vor seinem Drogentod im letzten Jahr noch abgeschlossen hat. Er spielt hier einen rotgesichtigen, übergewichtigen Tiefkühllasterfahrer, der gefrorene Rinderhälften ausliefert - und in eine saudumme Mordgeschichte verwickelt wird.

Lauter verrückte Männer sitzen also in der Bar Hollywood beisammen, und das passt ganz ausgezeichnet, denn "Leben und Sterben in God's Pocket" wurde auch von einem richtigen Mad Man inszeniert. Der Film ist das Spielfilm-Regiedebüt des Schauspielers John Slattery, der in der Hitserie "Mad Men" den silberhaarigen Werbeagenturchef Roger Sterling gespielt hat. Mit Anfang fünfzig nun hatte der gediente TV-Mann Lust auf eine Abwechslung - und vor allem Lust, einen seiner Lieblingsschriftsteller zu verfilmen.

"God's Pocket" basiert auf einem Roman von Peter Dexter, der schon die Vorlagen für einige wilde, kleine Filme geschrieben hat. Zum Beispiel Nora Ephrons Erzengel-Komödie "Michael" oder zuletzt das Krimistück "The Paperboy" mit Nicole Kidman und Matthew McConaughey. Das erschien bei uns, wie nun auch "God's Pocket", leider nur als Heimvideo.

Auf Ermittlungsexkursion im schummrigen Untergrund

John Slattery hatte solche Lust, ein Dexter-Buch zu verfilmen, dass er sich schon ans "Pocket"-Drehbuch setzte, bevor er überhaupt die Rechte an dem Roman erhielt. Das Regieführen hat er während der Rechteverhandlungen dann gewissermaßen auf heimischem Terrain geübt, bei fünf Folgen der "Mad Men". Aus der Serie hat er für den Film seine Kollegin Christina Hendricks mitgebracht, die in den letzten Jahren neben ihrer TV-Karriere zu einer der Ikonen des US-Indie-Kinos geworden ist. Aktuell ist sie auch in Ryan Goslings Regiedebüt "Lost River" zu sehen.

In "God's Pocket" spielt sie die aufreizende Ehefrau von Philip Seymour Hoffman, deren Sohn als Tagelöhner auf einer Baustelle arbeitet. Der Junge ist ein niederträchtiger Halbstarker, um den es, da sind sich die Kollegen auf dem Bau einig, nicht schade ist, als ihn einer der älteren Arbeiter aus Wut erschlägt. Ein Unfall, sagen sie der Polizei. Doch daran will die trauernde Mama nicht recht glauben und schickt Stiefpapa Hoffman auf Ermittlungsexkursion in den schummrigen Untergrund von God's Pocket. Während er parallel natürlich weiterhin seine gefrorenen Rinderhälften ausliefert.

Tragikomisch, mit sanftem Coen-Brüder-Touch und als Verneigung vor den frühen, bösen Gaunerstücken von Martin Scorsese inszeniert John Slattery diesen Blick in die Vorstadtstraßen von Philadelphia. Quasi als proletarische Hommage an jene "Mean Streets", denen Scorsese einst in New York ein Denkmal gesetzt hat. Auch seine Jungs sind mehr das Abziehbild von jenen lässigen Gangstern, die das US-Kino in seinen ersten Jahren hervorgebracht hat. Burschen, die nicht nur am Leben scheitern, sondern vor allem an den eigenen aggressiven Tagträumereien.

Der gefährlichste Killer in dieser Kleinmachowelt ist dann schließlich auch kein Kerl, sondern die örtliche, ältliche Blumenhändlerin.

Leben und Sterben in God's Pocket gibt es als DVD (9,99 Euro) und Blu-ray (12,99 Euro) sowie als Video on Demand, zum Beispiel bei Maxdome oder Google Play.

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