Media Player:Liebt er mich, liebt er mich nicht

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Das Liebesmelodram "Hateship, Loveship" nach einer Kurzgeschichte von Alice Munro, erzählt von der digitalen Liebe der Nanny Johanna. Doch steckt dahinter ein perfider Plan.

Von David Steinitz

Eine wilde Knutschübung steht am Anfang dieser merkwürdigen Liebesgeschichte. Leider mangelt es der verliebten Protagonistin Johanna (Kristen Wiig) zu diesem Zeitpunkt noch an ihrem Traumkusspartner. Also posiert sie vor dem Badezimmerspiegel, den sie gerade putzen wollte und flirtet mit ihrem eigenen Spiegelbild. Bis sie schließlich all ihren Mut zusammennimmt und sich selbst im Spiegel küsst. Oder, besser gesagt: richtig abschlabbert. Ihr Speichel, ihr heißer Atem verteilen sich schnell auf der glatten, kalten Oberfläche.

Das Liebesmelodram "Hateship, Loveship" erzählt von der blassen, schüchternen Nanny und Haushälterin Johanna, die von einem knorrigen alten Herrn (Nick Nolte) eingestellt wurde, um auf seine wild pubertierende Enkelin Sabitha (Hailee Steinfeld) aufzupassen. Sabithas Mutter ist bei einem Unfall ums Leben gekommen, ihr Vater hat ein ernsthaftes Drogen- und Alkoholproblem, ihre Hormone spielen verrückt - und deshalb kann sie die Nanny-Wächterin gerade wirklich überhaupt nicht gebrauchen.

Kristen Wiig schwer verliebt im Melodram "Hateship, Loveship". (Foto: Universum)

Also denkt sie sich mit einer Schulfreundin eine fiese Liebesintrige aus, um Johanna schnellstmöglich wieder loszuwerden. Gemeinsam fingieren sie romantische E-Mails ihres Vaters (Guy Pearce), der von der restlichen Familie wegen seines Drogenproblems getrennt lebt, an die naive Johanna. Bei der mischt sich sofort ein sanftes Verliebtheitsrot ins sonst so blasse, einsame Gesicht, und es entspinnt sich eine Digitalromanze, von der sie nicht ahnt, dass sie jeglicher Grundlage entbehrt. Bis sie eines Tages im großen Emotionsrausch ihre Sachen packt und zu ihrem Angebeteten reist, um mit ihm zu leben. Sogar ein Hochzeitskleid hat sie schon eingekauft, in einer kleinen Boutique, unter den skeptischen, neugierigen Blicken der Kleinstadtverkäuferin. Nur als sie dann vor ihrer großen Liebe steht, der durch die Drinks und das Kokain ein ziemlich fertiges Wrack geworden ist, sagt der ihr konsterniert ins Gesicht, dass er ihr nie geschrieben habe und nicht mal eine E-Mail-Adresse besitze.

Ein Melodram über schlummernde Gelüste

Der Film von Liza Johnson basiert auf der Kurzgeschichte "Hasst er mich, mag er mich, liebt er mich, Hochzeit" der kanadischen Schriftstellerin Alice Munro, die vor allem für ihre raffiniert konstruierten Short Stories berühmt geworden ist. 2013 wurde sie mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Während ihre Kurzgeschichte, ganz kurzgeschichtentypisch, den Leser noch mitten in die Handlung warf und gerade die Leerstellen in den Biografien der einzelnen, grob skizzierten Protagonisten ihren Reiz ausmachten, arbeitet der Film chronologischer und detailreicher.

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Trotzdem ist "Hateship, Loveship" ein hübsches, kluges Melodram über Eitelkeiten, Einsamkeit und schlummernde erotische Gelüste geworden - was vor allem der pointierten, zärtlichen Inszenierung der Filmemacherin Liza Johnson zu verdanken ist. Sie gehört schon seit einigen Jahren zu einer der spannendsten Regisseurinnen des amerikanischen Independent-Kinos, und ihren Namen sollte man sich auch künftig merken. Soeben hat sie ihr erstes größeres Hollywood-Projekt abgedreht, die wilde Polit-Groteske "Elvis & Nixon", die im Lauf dieses Jahres ins Kino kommen soll. Mit Kevin Spacey als Richard Nixon und Michael Shannon als Elvis Presley erzählt sie darin vom Aufeinandertreffen dieser beiden so unterschiedlichen Größen der US-Geschichte.

Johnsons Filme haben ein reduziertes Tempo, das selten geworden ist, im wilden Schnittwahn moderner Filmproduktionen, die durch hohe Schnittgeschwindigkeit um die Aufmerksamkeit der Zuschauer in der ständigen Bilderflut buhlen. Sie setzt in "Hateship, Loveship" ein ruhiges Schauspielerkino gegen diese Effekthascherei, verlagert den Schwerpunkt ihrer Adaption weg von den soziopathischen Teenagern mit ihren gefälschten Mails hin zu ihrem naiven Opfer Johanna. Und erlaubt sich inmitten all des großen Unglücks, das sich aus dieser Grundkonstellation ergibt, ein unverschämt lebenskluges Happy End. Echter Kuss inklusive.

Hateship, Loveship ist als DVD erschienen (12,99 Euro) und außerdem als Video on Demand erhältlich, zum Beispiel bei iTunes oder Google Play (ab 3,99 Euro).

© SZ vom 11.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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