Media Player:Invasion der Drohnen

Der Thriller "Eye in the Sky" mit Helen Mirren, Aaron Paul und Alan Rickman erzählt von moralischen Problemen im Zeitalter von Drohnenkriegen: Darf man einen Menschen gezielt töten, um damit andere Leben zu retten?

Von Bernd Graff

"Eye in the Sky", das "Auge im Himmel", ist natürlich eine Gottesmetapher. Es ist der Allmächtige, Allwissende, der seine Schöpfung immer im Blick hat. Wenn man eine von Menschenhand geschaffene Waffe mit dieser Gottesmetapher belegt, dann ist das natürlich Hybris, die Anmaßung göttlicher Herrschaft und Gewalt. Doch genau darum geht es in diesem Militär-Thriller von Gavin Hood, in dem man einer echten Tragödie dabei zusieht, wie sie zur politischen Farce wird.

Helen Mirren spielt Colonel Katherine Powell, die Chefin einer britischen Anti-Terror-Einheit bei London, die gerade dabei ist, in einer konzertierten multinationalen Operation lange gejagte Top-Terroristen in Nairobi festzusetzen. Darunter eine Britin und ein Amerikaner, die sich den Al-Shabaab-Milizen angeschlossen haben. Kenianische Truppen vor Ort, eine Bildaufklärungseinheit in Pearl Harbor, zwei Drohnenpiloten in Nevada und zwei Drohnenpiloten in Nairobi werden von ihr befehligt und koordiniert. Kontrolliert wird die Aktion von ihrem Vorgesetzten General Frank Benson - in seiner letzten Rolle: Alan Rickman - sowie den zuständigen britischen Ministern. Dazu gehören der Oberstaatsanwalt und eine Staatssekretärin, die sich im Londoner Parlament aufhalten. Und obwohl Helen Mirren umwerfend irritierend aussieht in dem Camouflage-Kampfanzug, den sie für diese Operation angelegt hat, erleben alle Beteiligte das Theatre of War nur über die vom künstlichen Himmelsauge in bestechender Schärfe übertragenen Bilder in ihren jeweiligen Situation-Rooms. Das gilt sogar für die Bodentruppe in Nairobi, die bis zum Zugriffsbefehl ebenfalls nur per Schalte und Display vom Geschehen informiert wird.

Media Player: Katherine Powell (Helen Mirren) muss Drohnen koordinieren.

Katherine Powell (Helen Mirren) muss Drohnen koordinieren.

(Foto: Keith Bernstein)

Allein, dieser Zugriffsbefehl wird nie erteilt. Zuerst nicht, weil die Terrortruppe unerwartet den Aufenthaltsort wechselt, was ihre Festsetzung unmöglich macht. Und dann ändert sich die Situation schlagartig, als klar wird, dass die Terroristen sich zu Selbstmordanschlägen mit Sprengstoffwesten rüsten, die auf eine verheerende tödliche Wirkung schließen lassen. Für Oberst Powell und den General ist sofort klar, dass man das Operationsziel nun von Festnahme auf gezielte Tötung umwidmen muss. Sie wollen den Drohnenpiloten den Befehl zum Abfeuern der von den unbemannten Flugkörpern mitgeführten Raketen erteilen. Doch die Politiker zieren sich. Was denn mit Kollateralschäden wäre, könne man die ausschließen? Nicht ganz. Aha. Außerdem sei Kenia ja ein Verbündeter im Kampf gegen den Terror, da könne man doch nicht so mir-nichts-dir-nichts Luftschläge aus 2000 Meter Höhe auf einen dicht bewohnten Stadtteil anordnen. Der britische Außenminister müsse darum nun mitentscheiden und, da ja auch ein amerikanischer Zivilist liquidiert werden solle, müsse man die Amis ebenfalls mit ins Boot holen. Die Minister werden kontaktiert, sie merken an, dass Bilder der Aktion vielleicht auf Youtube landen und dann für schlechte Presse und PR sorgen könnten.

Die eiernde Debatte der Verantwortlichen, die alle nicht verantwortlich sein wollen, spielt sich vor den überdimensionierten Monitoren ab, auf denen die Bilder junger Männer in Sprengstoffwesten flimmern, die mittlerweile schon dabei sind, ihre Bekennervideos in eine Kamera einzusprechen. Während die Katherine Powell der Helen Mirren dazu die Augen rollt, wie nur Helen Mirren die Augen rollen kann, und die Wahrscheinlichkeit der anzunehmenden Kollateralschäden so lange berechnen lässt, bis sie sogar für zaudernde Politiker passabel erscheinen, läuft ein kleines Mädchen ins Bild des Himmelsauges, das unmittelbar neben dem Terroristen-Unterschlupf seinen Brotverkaufsstand aufmacht. Und jetzt, tödlichste Drohnen-Hightech abschussbereit im Anschlag, müssen die Soldaten und ihre Vorgesetzten über ein ethisches Dilemma entscheiden, das so alt ist wie die abendländische Philosophie: Ist das Leben eines einzelnen Menschen genauso viel wert wie das von achtzig oder hundert? Kann man den einen Tod vertreten, wenn damit vielleicht sehr viele Unschuldige bewahrt werden? Und ja, sie fällen tatsächlich eine Entscheidung.

Eye in the Sky erscheint am 16.9. als DVD und Blu-Ray sowie als Video on Demand.

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