Media Player:Die mühelose Utopie

Media Player: Die Stones Richards und Jagger auf Odyssee im Tonstudio.

Die Stones Richards und Jagger auf Odyssee im Tonstudio.

(Foto: Koch Media)

Godards "One plus One" heißt auf DVD "Sympathy for the Devil" - mit den "Rolling Stones".

Von Fritz Göttler

Ist dein Name Ophelia, fragt der Interviewer, nein, sagt die junge Frau. Ist er Cordelia, fragt er weiter, ebenfalls nein. Mit seinem Team - zwei Kameraleuten, einem Tonmann - verfolgt er die Frau zwischen den Bäumen und Büschen eines sommerlichen Parks, ein Faun des Medienzeitalters. Frage für Frage liest er von seiner endlosen Liste ab, auf die die Frau - luftiges Sommerkleid, anmutige Bewegungen, als wäre sie die Heldin eines romantischen Liebesromans oder eines der frühen Melos von Griffith - immer nur mit kokett gehauchtem Ja oder Nein reagiert.

Ein Spiel von Inquisition und Evasion, das klassische Godard-Spiel, hin und her. Verwirrung, diesmal sagt der Film es ganz explizit, ist Teil dieses Spiels. All about Eve hat ein Zwischentitel vor dem langen Interview uns versprochen, Eve heißt die junge Frau, wie der Interviewer beim dritten Versuch bestätigt bekommt, Eve Democracy. Sie sagt immer nur Ja oder Nein, hat damals ein Reporter moniert, nun ja, hat Godard erwidert, sie ist die Demokratie, was soll die schon anderes sagen. Anne Wiazemsky verkörpert sie, damals Godards Frau. Der Orgasmus, heißt es einmal, ist der einzige Moment, da man das Leben nicht betrügen kann.

Der Film markiert einen Einschnitt in Godards Werk, von nun an wird er sich der Gruppenarbeit widmen, militantes Kino machen, Cine-Tracts. "One Plus One" hat der Film geheißen, als er damals in die Kinos kam, nun, auf DVD, heißt er "Sympathy for the Devil", und man sieht die Rolling Stones eben diesen Titel - von der LP "Beggars' Banquet" - entwickeln in den Olympic Sound Studios. "Das war das Thema", erzählte Godard in seiner "Einführung in eine wahre Geschichter des Kinos" zehn Jahre später: "Auf der einen Seite One, die Rolling Stones, und ich ihnen gegenüber. Das machte one plus one, eins und eins, das ist der Versuch, zwei zu machen." Godard liebt Gleichungen, und wahrscheinlich hat er sehr wohl gewusst, dass am Ende nicht zwei herauskommt und womöglich nicht mal ein Film. Der Produzent hat ihm den Schluss vermasselt, indem er den fertigen Song der Stones darüberlegte, und Godard hat ihm öffentlich dafür eine gelangt.

Aus den ruhigen Kamerafahrten durchs Studio werden plötzlich Weltraumfahrten

Es ist ein militanter Film, der immer schon die eigene Militanz ins Lächerliche führt. Neben Eve und den Stones gibt es eine Menge schwarzes Agitprop, Black-Power-Kraftmeierei. Man zitiert Sprüche von Eldridge Cleaver und fuchtelt mit Waffen herum, führt gefangene weiße Mädchen vor, betatscht und erschießt sie. Lust am Klischee, Lust an der Provokation, auch aus "Mein Kampf" wird vorgelesen. Die Stones liefern ihren Schnelldurchgang durch die Geschichte, in Teufelsperspektive: "Pleased to meet you, / Hope you guess my name, / But what's puzzling you, / Is the nature of my game." Der Film entstand im Juni 1968, als die Inhalte und die Formen in freien Fall übergingen und nichts mehr den Sinn der Diskurse verbürgen mochte. "Damals hat man mich beschimpft", erinnert sich Godard, "dass ich zum Arbeiten im Ausland war, wo doch das ganze französische Volk streikte."

Noch immer kriegt Godard das klassische Hollywood nicht aus dem Kopf, über das er einige Jahre in den Cahiers du Cinéma fantasierte, das alte Studiosystem, die subtilen Kamerabewegungen seiner Musicals haben die Stones-Sequenzen inspiriert. Von denen aber nimmt das Kino der Siebziger nun seinen Ausgang, das der Kontemplation statt der Affekte, der Utopie statt der Action. "Der Kopf von Brian Jones", schrieb damals Wim Wenders, "zieht in einer Ruhe durch das Bild, wie man sich nur einmal etwas gesehen zu haben erinnert: das Raumschiff in ,2001', das an einem Bildrand auftaucht und in der Stille einer Galaxis über das ganze Gesichtsfeld wandert . . . Man sieht in Godards Film das Stück 'Sympathy for the Devil' ENTSTEHEN. Und weil es nicht auf Grund von Mühe oder Anstrengung entsteht, sondern auf Grund einer unglaublichen Kommunikation, eines völlig unwahrscheinlichen, mühelosen Verständnisses, weil man einer Utopie zuschauen kann, werden aus den ruhigen Kamerafahrten durchs Studio Weltraumfahrten und aus einem Dokumentarfilm ein Zukunftsfilm."

Erschienen als DVD und als Bluray bei Koch Media.

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