Media Player:Achtung, Syphilis

Bang Gang

"Bang Gang" heißt im Original "Une histoire d'amour moderne".

(Foto: Pierrot le Fou)

Die Franzosen und der Sex: Das Teenie-Drama "Bang Gang" zeigt heranwachsende Körper provozierend clean.

Von David Steinitz

In keinem Filmland der Welt wird das Genre des erotischen Teenager-Dramas so liebevoll gepflegt wie in Frankreich. Während zum Beispiel die deutschen Fantasien über die Aktivitäten von Heranwachsenden sich oft auf den biederen Herrenwitz-Humor des "Schulmädchenreport" beschränken, scheint die Franzosen die rätselhafte Übergangsphase der Adoleszenz pathologisch anzuziehen.

Diese Faszination ist keine rein männliche Obsession, wie man zunächst vermuten könnte. Klar, es gibt unzählige Beispiele französischer Regisseure, die gerne junge Frauen beim Sex inszenieren und das dann hinterher erfolgreich als Kunst verkaufen - und manchmal ist es sogar welche. "Jung und schön" von François Ozon oder "Blau ist eine warme Farbe" von Abdellatif Kechiche sind wohl die prominentesten Beispiele der letzten Jahre.

Aber im französischen Independent-Kino gibt es derzeit auch eine recht erfolgreiche Gruppe an jüngeren Filmemacherinnen, die sich für das Filmgenre der erotischen Pubertätsstudie interessieren. Die Schauspielerin und Regisseurin Hélène Zimmer zum Beispiel, mit ihrem expliziten Film "À 14 ans" oder ihre Kollegin Mia Hansen-Løve mit der etwas romantischeren Variante "Un amour de jeunesse".

Noch mehr auf die Pauke haut aber nun die Regiedebütantin Eva Husson, und zwar schon mit ihrem Filmtitel: "Bang Gang". Um das französische Kunstkinopublikum nicht allzu sehr zu schockieren, hat sie zumindest in der Originalfassung noch den etwas zärtlicheren Zusatztitel "Une histoire d'amour moderne" angehängt. Diese moderne Liebesgeschichte tingelte über diverse Filmfestivals von Toronto bis München, jetzt verkauft der deutsche DVD-Anbieter Pierrot Le Fou das Werk als skandalträchtigen Softporno. Das ist im Internetzeitalter eine etwas anachronistische Marketingstrategie und verstellt zudem den Blick auf die Frage, was Eva Husson mit ihrem Film denn sonst so will, außer nackte junge Körper zu zeigen.

Ihr Kinodebüt, für das sie auch das Drehbuch geschrieben hat, basiert angeblich auf einer wahren Begebenheit. Es geht um eine Clique luxusverwahrloster Teenager im reichen französischen Küstenstädtchen Biarritz am Atlantik, von denen manche ein paar echte und die meisten überhaupt keine Probleme haben. In einem Anfall betrunkener Langeweile und juveniler Eifersucht veranstalten sie eines nachmittags spontan eine Orgie, mit viel Bier, Pillen und Kopulation. Diese Abwechslung gefällt ihnen so gut, dass sie diese Veranstaltung "Bang Gang" taufen und regelmäßig abhalten - bis plötzlich die Syphilis an der Schule umgeht.

Klingt dämlich? Ist es auch. Aber eben genau so dämlich, wie sich viele pubertäre Aktionen im Rückblick anhören. Eva Husson inszeniert diese Geschichte auch nicht als Provokation. Das funktioniert wohl spätestens seit Larry Clarks "Kids" (1995) nicht mehr so recht. Ihre filmischen Wurzeln liegen mehr bei Kolleginnen wie Sofia Coppola, die in "The Virgin Suicides" von 1999 die Pubertät gar nicht mehr enträtseln, sondern nur noch in eine filmische Ästhetik übersetzen wollte.

So geht auch Husson vor, was in ihrem Fall konkret bedeutet: "Bang Gang" sieht aus, als hätten sich die Chefideologen von Abercrombie & Fitch einen Spielfilm ausgedacht. Blutjunge Körper von einer bedenklichen Falten- und Haarlosigkeit reiben sich zu sanften Elektroklängen aneinander, ohne kaum je richtig ins Schwitzen zu geraten. Darin liegt die eigentliche Provokation des Films - dass hier siebzehnjährige Mädchen und Jungs in einem wirklich unheimlichen Einklang mit ihren heranwachsenden Körpern stehen, die sie jederzeit bereitwillig herzeigen und zur Verfügung stellen. Wodurch letztlich die gesamte Grundidee der Pubertät durch die porenreinigende Kraft der Photoshop-Ära weggewischt wird. Sieht sehr gut aus, nur vor Syphilis schützt auch dieser Ansatz zum Schluss nicht.

Bang Gang/Une histoire d'amour moderne erscheint am 15. Juli als DVD und Blu-ray (ab 13,99 Euro) sowie als Video on Demand.

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