"Me Too"-Debatte:Wer sich umhört, erfährt: "Man wusste es"

Grundsteinlegung für Arp-Museum

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe veröffentlichte Meier eine Erklärung, in der er ankündigt, für sechs Monate aus seiner Firma auszusteigen.

(Foto: dpa/dpaweb)

Dem amerikanischen Architekten Richard Meier werfen fünf Frauen sexuelle Belästigung vor. Damit ist die Debatte darüber in der Architekturszene angekommen.

Von Gerhard Matzig

Die Frage war ja nicht, ob der "Me Too"Skandal um sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz nach dem Kino, der Fernseh- oder Bühnenwelt auch die Architektenszene erreicht - die Frage war nur: wann? Es ist so weit. Die New York Times berichtet über fünf Frauen, die dem amerikanischen Architekten Richard Meier vorwerfen, sie sexuell bedrängt und genötigt zu haben. Das ist ein Paukenschlag, denn der 83-jährige Meier ist einer der populärsten Architekten der Gegenwart, eine Galionsfigur der Branche.

Meier, der 1984 mit dem Pritzker-Preis ausgezeichnet wurde, dem die Welt beispielsweise das Getty Center in Los Angeles zu verdanken hat, ist einer der höchstdekorierten Architekten der Welt. Seine zumeist strahlend weiß gehaltenen, geometrisch formvollendeten Raumplastiken sind überall bekannt. Doch der Architekt, der oft als "Star-Architekt" in den Medien auftaucht, wird nun von mehreren Frauen, die in seinem Umfeld gearbeitet haben, der Übergriffigkeit sowie der sexuellen Belästigung und Nötigung bezichtigt. Eine Frau erzählt, Meier habe sie aufgefordert, sich auszuziehen, damit er sie fotografieren könne. Eine andere Frau berichtet, dass sie in den Achtzigerjahren aus seiner Wohnung fliehen musste, nachdem er versucht habe, sie auf das Bett zu ziehen. Eine Bademantel-Episode gibt es auch. Und neue Mitarbeiterinnen im Büro sollen gelegentlich auch davor gewarnt worden sein, mit Meier allein zu bleiben. Demnach wäre Meiers mutmaßliches Fehlverhalten schon länger bekannt gewesen.

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe veröffentlichte Meier eine Erklärung, in der er ankündigt, für sechs Monate aus seiner Firma auszusteigen. Auf der Homepage des in New York ansässigen Büros Richard Meier & Partners ist zu lesen, dass Richard Meier "tief beunruhigt und peinlich berührt" ist über die Berichte, wonach sich Frauen von ihm bedrängt fühlen. Er entschuldigt sich bei allen, die es betreffe, weist aber auch darauf hin, dass sich Erinnerungen "möglicherweise" voneinander unterscheiden können.

Eine echte Entschuldigung und ein richtiges Schuldeingeständnis - die Vorfälle haben sich zum Teil vor etlichen Jahren ereignet - ist das nicht. Grundsätzlich gilt also die Unschuldsvermutung, definitiv bewiesen ist noch gar nichts. Aber wer sich umhört bei Architekten, die mit Richard Meier gut bekannt sind oder auch zusammengearbeitet haben, der erfährt: "Man wusste es."

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