"Me Too"-Debatte und ihre Folge:"Große Chance für einen Kulturwandel"

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Aus der "Me Too"-Bewegung resultiert die Vertrauensstelle Themis - eine von wenigen konkreten Maßnahmen. (Foto: imago)

Die deutsche Filmbranche hat einen Verein für Opfer sexueller Gewalt gegründet. Mitinitiatorin Barbara Rohm spricht über Anonymität und mögliche berufliche Konsequenzen.

Interview von Susan Vahabzadeh

Die "Me Too"-Debatte wurde über Monate hinweg hitzig geführt. Lösungsvorschläge aber hat es nur wenige gegeben. Nun ist einer an einem runden Tisch entstanden, an dem eine ganze Reihe von Verbänden, die zur Film- und Schauspielbranche gehören, miteinander diskutiert haben. Am Freitag hat Kulturministerin Monika Grütters die Gründung eines Vereins als Träger einer Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung und Gewalt verkündet. Themis soll sie heißen, benannt nach der griechischen Göttin der Gerechtigkeit. Gemeinsam wollen Verbände - von Regisseuren, Schauspielern, Maskenbildern über den Deutschen Bühnenverein und die Filmakademie bis zu den öffentlich-rechtlichen Sendern und der gemeinsamen Interessenvertretung der Privatsender - eine übergeordnete Stelle einrichten, an die sich die Betroffenen sexueller Übergriffe wenden können, die ja oft freiberuflich tätig sind. Barbara Rohm von Pro Quote Film war bei der Erarbeitung der neuen Initiative dabei.

SZ: Wie sollen die Pläne, die Monika Grütters und die Gründerinnen und Gründer des Trägervereins in der vergangenen Woche veröffentlicht haben, konkret umgesetzt werden? Wann legen Sie los? Wird es bundesweit mehrere Anlaufstellen geben?

Barbara Rohm: Nein, es wird ein Büro in Berlin geben - das heißt für diejenigen, die nicht anreisen können, telefonische Beratung. Es soll nach der Sommerpause losgehen. Wir sind auf der Suche nach Räumen und zwei Personen mit fachlicher Qualifikation.

Barbara Rohm, Fotografin und Regisseurin, ist Vorstand bei der Vertrauensstelle Themis, die im Oktober 2018 die Arbeit aufnahm. (Foto: Orsino Rohm)

Um Missverständnissen vorzubeugen: Speziell für Frauen ist das Angebot der neuen Vertrauensstelle aber nicht gedacht, oder?

Nein! Betroffene können genauso Männer sein, und die Stelle richtet sich an alle Berufe. Ausgegangen ist die Initiative vom Bundesverband Schauspiel BFFS, der einen runden Tisch einberufen hatte. Monika Grütters legte dann Wert darauf, dass die Stelle auch auf andere Bereiche der Kulturbranche ausgeweitet werden kann. Die Namenspatronin Themis ist übrigens die griechische Göttin der Gerechtigkeit und des gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Was genau können Betroffene erwarten, wenn sie sich an die Vertrauensstelle wenden?

Sie können zunächst einmal eine juristische und eine psychologische Erstberatung erwarten, die auf weitere Möglichkeiten verweist. Das ist wichtig, weil man so das Geschehene erst einordnen und sich über den Handlungsspielraum informieren kann. Auch ganz wichtig: Anonymität ist garantiert - und nur, wenn jemand das möchte, nimmt die Stelle Kontakt zu den Unternehmen auf. Das richtet sich nach den Bedürfnissen der Betroffenen.

Die juristische Einordnung eines Falles ist ein erster Schritt, aber wie geht es dann weiter?

Die Bedürfnisse der Betroffenen können sehr unterschiedlich sein, das hängt ja auch von der Schwere der Vorfälle ab. Manche verlangen eine juristische Verfolgung, andere wollen eine Veränderung im Arbeitsklima oder einfach nur eine Entschuldigung.

Das kommt ja wahrscheinlich sehr darauf an, wie es danach beruflich für die Betroffenen weitergehen soll. Wenn eine Schauspielerin oder ein Musiker den Eindruck hat, sie oder er werde nicht mehr gebucht, weil sie oder er sich gegen sexuelle Übergriffe gewehrt hat - das lässt sich ja schwer beweisen. Kann man da dann überhaupt helfen?

Das ist für Betroffene eine zentrale Frage. Aber da muss man ehrlicherweise sagen: Keine Stelle kann garantieren, dass ein Vorgehen gegen Übergriffe keine beruflichen Konsequenzen hat. Es wäre realitätsfern, das zu versprechen. Aber die Stelle kann begleiten und helfen, die Konsequenzen abzuschätzen, um zu einer Entscheidung zu finden.

Würden Ihnen denn überhaupt Möglichkeiten einfallen, Freiberufler vor Konsequenzen zu schützen? Ist das am runden Tisch diskutiert worden?

Das wird das Thema sein für die Zukunft - die Stelle soll nicht nur konkrete Hilfestellung leisten, sie soll auch ein Bewusstsein schaffen. Nur so können wir die Risiken für diejenigen mindern, die einen Vorfall melden wollen. Noch nie hat es ein derart breites Bündnis von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite gegeben. Darin sehe ich die große Chance für einen Kulturwandel. Aber es ist auch klar, dass wir einen langen Atem brauchen.

© SZ vom 06.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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