Maybrit Illner im ZDF:Philippika der Popstars

Heiligendamm und G 8: Im ZDF-Studio bei Maybrit Illner dominierte die Wut-Fraktion. Bob Geldof kam aus dem Wettern nicht mehr heraus - und so zerfiel der schöne Schein des Angela-Merkel-Gipfels sehr schnell.

Hans-Jürgen Jakobs

Wenn die angeblich Mächtigsten der Welt in Deutschland auf einem Gipfel reden, dann ist das für die Königinnen der deutschen Talkshows ein Muss-Thema. Und so hatte Sabine Christiansen diese Woche mit einem G-8-Talk begonnen. Und zwei Tage später bat Sandra Maischberger zu einem alternativen Acht-Frauen-Plausch, der auch das Outfit von Angela Merkel und Silvio Berlusconi thematisierte. Am Donnerstag, kurz vor Mitternacht bei Maybrit Illner im ZDF ("Was kann der Gipfel bewegen?"), wurde der kurze Reigen fortgeführt.

Hier, immerhin, fand die schöne Inszenierungsshow von Heiligendamm ein Ende, die den ganzen Fronleichnam hinweg die Medien beherrscht hatte. Hier sprach die stets fröhliche Moderatorin ironisch von "Gipfelstürmern", und hier, in Berlin-Mitte, setzte sich die Wut-Fraktion durch, was sicher zum guten Teil an Bob Geldof lag.

Der irische Popmusiker - eine tönende, manchmal nölende Ich-AG der weltweiten NGOs - wetterte und wetterte über die laxe deutsche Politik, die beim G-8-Gipfel 2005 eine Erhöhung der Entwicklungshilfe auf 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts versprochen hatte, und doch damit nicht nachkommt. "Deutschland ist deutlich im Rückstand" predigte der frühere Frontmann der einstigen Band Boomtown Rats, und hieb mit dieser Anklage immer wieder erregt in die Runde: "Warum unterschreibt Deutschland einen Vertrag und erfüllt ihn nicht?" Angela Merkel finde er zwar "clever" und "nett", sagte Geldof auch, aber in dieser Frage hatte er ein ernstes Streitgespräch mit der Kanzlerin.

"Ist doch viel los!"

Vielleicht, weil man einem zum Ritter geschlagenen Aktivisten wie Geldof nicht widerspricht, vielleicht auch, weil es ihm an gleichwertigen rhetorischen Qualitäten mangelt - jedenfalls fiel dem Merkel-Parteigänger Norbert Röttgen zu der Philippika des Popstars wenig ein. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion versprach, Merkel werde die Zusage von 2005 erfüllen.

Wie seine Herrin redete er von einem "Prozess", der eingeleitet sei und fortgesetzt werde. Aber es gebe ja auch noch andere Ziele wie den Schuldenabbau, der der jungen Generation auch diene. Kurzum: Hier sprach die Fraktion der Polit-Technokratie und Machbarkeits-Jünger - und wirkte doch insgesamt ziemlich hilflos. "Ist doch viel los", sagte Röttgen einmal zum politischen Status quo und es klang, als müsse er sich und Frau Merkel beruhigen.

Überaus kompetenter kam da der langjährige Industriemanager Eberhard von Koerber über den Bildschirm. In Sachen Entwicklungshilfe konstatierte er: "Es muss mehr kommen von den USA und Europa." Der Vertreter des Club of Rome leitet einen aus Spanien und Saudi-Arabien bestückten Milliarden-Fonds, der in Afrika zum Beispiel Kraftwerke, Raffinerien und Flughäfen baut. Der Kompromiss von Heiligendamm sei nicht genug, so Koerber, da es 20, 30 Jahre dauere, bis eine Maßnahme zum Klimaschutz wirklich greife. Da könne man sich nicht bis zum Jahr 2050 Zeit lassen, vor allem, da China und Indien nur marginal beteiligt seien. Die EU müsse voranschreiten, "Sogwirkung" müsse von ihr ausgehen.

Je länger die Talkrunde im ZDF andauerte, umso mehr zerfiel der schöne Schein des Nachmittags, als die Kanzlerin zum TV-Gespräch mit vier Journalisten im elektrogetriebenen Caddy, einer Art Merkelmobil, angefahren kam und hernach von ungeheuren Fortschritten kündete.

Bei Maybrit Illner bekam Sahra Wagenknecht von der Linkspartei regelmäßig den stärksten Beifall, und das natürlich auch für ihre Gesamtanalyse, Heiligendamm sei "reine Heuchelei". Es habe ein typisches Ergebnis für einen solchen Gipfel gegeben: Den Staats- und Regierungschefs gehe es um einen "Imagegewinn", die Verabredungen aber seien "völlig unverbindlich".

Das sei, platzte es aus ihr heraus, als ob eine Runde von Mafia-Bossen für die Ausbreitung des Rechtssystems werbe. Die G-8-Staaten plünderten die armen Länder aus, sie hätten woanders offene Märkte für ihre eigenen Produkte geschaffen, würden aber gleichzeitig die eigenen Märkte über Zölle schützen. Da hatte die Linke den Marktwirtschafter Koerber ganz auf ihrer Seite. Über das irrsinnige System der Agrarsubventionen war in Heiligendamm nicht geredet worden.

Bob Geldof räumte noch mit der Legende auf, es habe im Vorfeld des G-8-Gipfels einen Deal mit Angela Merkel gegeben, wonach die Kanzlerin öffentlichkeitswirksam 700 Millionen Euro mehr Entwicklungshilfe versprechen und Geldof daraufhin den deutschen Musiker und G-8-Kritiker Herbert Grönemeyer einfangen sollte. Diesen Plan hatte ein geheimes Papier der Merkel-Entourage festgeschrieben, das die Süddeutsche Zeitung groß ausgebreitet hatte, worauf Maybrit Illner kurz einging. Geldof sprach noch davon, dass Macht der Treibstoff zum Verhandeln sei, und überhaupt - Rock 'n' Roll sei "ein Vehikel für Wandel".

Da allerdings dürfte er die Musik doch ein wenig überschätzen.

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