Mathias Richling mit neuem Programm:Deutschland, die schönste Nebensache der Welt

Mathias Richling

Kabarettist Mathias Richling hat ein neues Programm: "Deutschland to go".

(Foto: picture alliance / dpa)

Weniger scharf als Schramm, nicht so lustig wie Priol - aber in der Politiker-Parodie unangefochtener König: Mathias Richling haucht in seinem neuen Kabarett-Programm "Deutschland to go" Politiker-Figuren ein geschärftes Eigenleben ein. Das ist seine Stärke. Den Rest sollte er lassen.

Von Ruth Schneeberger, Berlin

Am besten gelingt ihm an diesem Abend Klaus Wowereit. Das trifft sich gut, denn Mathias Richling weilt derzeit in Berlin, um sein neues Kabarett-Programm "Deutschland to go" im Kabarett-Theater Die Wühlmäuse vorzustellen. Der Mann mit dem ausgeprägtesten Gespür für Politiker-Parodie in der deutschen Kabarettszene kann Berlins Regierenden Bürgermeister aus dem Effeff nachäffen.

Und ist dabei fast noch besser als das Original: Er verstehe die Aufregung nicht, sagt Richling alias Wowereit zur Causa Großflughafen: "Ja, wir haben einen Flughafen und ja, er wird nicht fertig - Ende der Informationskette!" Und weiter: "Mir ist ja überhaupt erst durch die Medien bekannt geworden, dass hier ein Großflughafen entstehen soll. Glauben Sie, man hat mir mitgeteilt, dass sogar Landebahnen vorgesehen sind?" Jedes Jahr, um das die Eröffnung verschoben werde, sei ein Jahr mehr für den Naturschutz - "Ich sehe nur Vorteile!"

Schlussendlich gehe es doch beim BER gar nicht ums Fliegen und nicht ums Funktionieren, "davon war nie die Rede". Früher hätten die Völker ihren Herrschern Pyramiden zu Repräsentationszwecken gebaut. Deshalb bestehe "überhaupt keine Notwendigkeit für irgendeine Eile: Ich habe die entschiedene Absicht, noch möglichst lange unter Ihnen zu weilen". Diese Pyramide hätte noch jede Menge Zeit.

Das Publikum tobt, der Kabarettist blinzelt zufrieden. Die Wowereit-Parodie ist so perfekt, weil sie alles vereint, was Richling am besten kann: sich in das Gedankengefüge eines Politikers hineinversetzen, Sätze formulieren, die dieser genauso sagen könnte, nur leicht überspitzt, und damit die Figur anhand eines aktuellen Falles, an dem dieser am besten noch beteiligt ist, aber jede Verantwortung ablehnt, ad absurdum führen. Und das ganz ohne Bösartigkeit, sondern mit geradezu liebevoller Betrachtung. Gekrönt von einer reduzierten Mimik und umso stärkerer Sprachfärbung.

Merkel und das Öh

Das gelingt Richling nicht immer so gut wie bei Wowi, auch an diesem Abend nicht. Merkel bekommt er noch einigermaßen hin: "Meine sehr verehrten Damen und Herren, öh, diese Bundesregierung wird durchaus spannend, äh, wir werden auch die nächsten Jahre, öh, hinbekommen. Deutschland bleibt für mich die schönste Nebensache der Welt." Worthülsen? Von wegen: "Ich habe doch gesagt: Wichtig ist, dass klar sein muss, dass deutlich zu werden hat, was offenbar ist!" Wieder tobt das Publikum.

Wie auch bei folgendem Satz, den er der Bundeskanzlerin in den Mund legt: "Ob wir nun U-Boote an Israel oder Chemikalien nach Syrien oder Panzer an die Saudis liefern: Die Deutschen haben nie versucht, ihre Taten von vor 70, 80 Jahren zu bereuen, sondern nur genügend Waffen in die Weltgeschichte zu liefern, damit andere auch mal schuldig werden. Damit wir nicht die einzigen Verbrecher sind."

Richling schießt durchaus scharf, zwischen all den Ähs und Öhs, den lustigen Grimassen und ständigen Fratzen. So auch bei Horst Seehofer, den er sagen lässt: "Wir brauchen hier keine Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen - die Deutschen sind uns schon fremd genug. Und wieso wird ausgerechnet mir vorgeworfen, ich sei gegen Minderheiten? Wer hat denn in der CSU die Frauenquote eingeführt? Das war doch ich, mehr kann man doch nicht wollen für die Eingliederung von Fremdkörpern in eine gewachsene Gesellschaft. Ich grenze eben nicht aus, was minderbemittelt und durchsetzungsschwach ist. Mich hat einfach überzeugt, dass Frauen deutsch sprechen."

Ohne Punkt und Komma

So gut angekommen wie Richling ist seit einer Weile kein Schwabe mehr in Berlin. Am Ende gibt es noch eine unnachahmliche Helmut-Schmidt-Parodie, in der dieser Gerhard Schröder komplett abtropfen lässt (der allerdings auch in der Parodie erstaunlich schwach bleibt) - und die Fans sind glücklich. Noch bis zum 9. November wird Richling fast täglich das Publikum im Berliner Kabarett-Theater Die Wühlmäuse beglücken, danach tourt er durch Deutschland, bis er Anfang Februar in München zu sehen sein wird.

Für seine Live-Parodien liebt ihn das Publikum - und wohl auch ihretwegen ist er seinen öffentlich-rechtlichen Stammplatz als Hildebrandt-Nachfolger im TV losgeworden. Weil er einigen dann doch zu sehr als Komödiant und zu wenig als politischer Kabarettist gilt.

"Frank Aufgeblasen" bei "Quark aber ungefähr"

Dabei sind genau diese Politparodien seine große Stärke - und nicht der Rest, den er an diesem Abend nichtsdestotrotz ausführlich unter Beweis stellen will. Er hat auch durchaus interessante Beobachtungen zu bieten, wenn er etwa die Medienlandschaft karikiert: "Es gibt keine dummen Fragen, nur dumme Antworten? Das ist das idiotischste, was ich in meinem Leben gehört habe", empört sich Richling als er selbst.

Was solle denn wohl einer antworten, wenn er von Maybrit Illner oder Anne Will gefragt werde: "Als Sie die Wahl gewonnen haben, was haben Sie da gefühlt und was haben Sie empfunden?" Oder: "Wie ist die Stimmung vor Ort im Hochwassergebiet?" Oder auch: "Herr Wulff, Sie haben Ihr Amt verloren, Sie sind angeklagt, Ihre Frau hat sich scheiden lassen, das Volk verhöhnt Sie. Hat das alles in irgendeiner Weise Ihr Leben beeinflusst?" Wieder großes Gelächter im Saal. Auch die Hart-aber-fair-Persiflage gelingt ihm, als "Frank Aufgeblasen" bei "Quark aber ungefähr", wo "Politik auf Bräsigkeit trifft".

Vehement, aber nicht immer überzeugend

Nur wenn er sich abwendet von konkreten Figurvorlagen oder als er selbst sprechen muss, dann wird es weniger passend. Richling verhaspelt sich bei einem ellenlangen Vortrag über Frauen und deren Verdienstmöglichkeiten auch inhaltlich, seine Tiraden auf NSA und Facebook bleiben im Ungefähren. Die zwar vehement aber nicht ganz überzeugend vorgetragenen Schlüsse über Moralvorstellungen, Freiheit und Demoskopie kommen noch nicht ganz auf den Punkt.

Währenddessen schiebt er stundenlang große und kleine Koffer über die Bühne, macht auf und zu, packt aus und wieder ein, rollt Gepäckwagen hin und her. Das macht mal Sinn, mal keinen und ist neben dem Wunsch, ein Bühnenbild zu haben, wohl vor allem der Notwendigkeit geschuldet, dass der 60-jährige Zappelphilipp einfach immer in Bewegung sein muss.

Mathias Richling ist eben kein Georg Schramm, dessen politische Analysen so messerscharf sind, dass sie kaum noch Lacher brauchen, um ordentlich einzuschlagen. Und er ist kein Urban Priol, der zuletzt in München fast drei Stunden lang über die Bühne hüpfte und eine inhaltliche Pointe nach der anderen zündete - gänzlich ohne Bühnenbild. Mathias Richling ist der Kabarettist, der immer noch am allerbesten Politiker parodieren kann. Das degradiert ihn noch längst nicht zum schlichten Comedian - weil er eben nicht nur nachmacht, sondern den Politikern ein geschärftes Eigenleben einhaucht. Genau da sollte er weitermachen. Und den ganzen anderen Quatsch, den kann der Mann ohne Punkt und Komma getrost den Kollegen überlassen.

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