"Man for a day" im Kino:Vom Gefühl, ein Mann zu sein

Wie verhalten sich Männer und warum werden sie oft so ernst genommen? Vier Frauen wagen im Rahmen eines Performance-Experiments den Rollenwechsel. Filmemacherin Katarina Peters begleitet das Abenteuer mit wachsamer Kamera.

Anke Sterneborg

Da ist die junge Frau, die verstehen will, warum Männer sich manchmal so schäbig verhalten. Da ist die politische Referentin, die sich in der Männerwelt der Macht besser behaupten möchte; die Modedesignerin, die nicht begreift, warum sie manchmal als tough wahrgenommen wird, und sich innerlich doch verletzlich fühlt; und die alleinerziehende Mutter, die herausfinden will, welche Männerbilder sie ihren Söhnen vermitteln kann.

Man for a day Kino

Die New Yorker Performance-Künstlerin Diane Torr (links) gibt die Anleitung zum Spiel mit den Identitäten.

(Foto: dpa)

Sie alle lassen sich auf ein Experiment ein, auf ein Workshop-Spiel mit Identitäten, angeleitet von der New Yorker Performance-Künstlerin Diane Torr, die auf der Bühne unter anderem als Danny King auftritt. Die Filmemacherin Katarina Peters begleitet das Abenteuer, das zwischen Bühnenperformance und Selbsthilfegruppe oszilliert, mit einer wachsamen, aber nie aufdringlichen Kamera. Es geht um das Probieren und Prüfen, Schauen und Ausprobieren der männlichen Gesten und Verkleidungen vor dem Spiegel - und dann auch draußen, auf der Bühne des Lebens, in der Wirklichkeit.

Identitäten sind für Diane Torr nichts Naturgegebenes, sondern Ergebnis eines kreativen Aktes - schließlich variiert jeder Mensch verschiedene Versionen seiner selbst, je nachdem ob er oder sie zu Hause mit einem Kind spricht, in der Arbeit an einer Konferenz teilnimmt oder abends in die Disco zum Tanzen geht. Hinter den weiblichen und männlichen Hüllen sieht Torr einen polymorphen Kern, Geschlecht ist für sie eine Serie repetitiver Gesten. Ihr Workshop zielt nicht darauf, die eine Möglichkeit gegen eine andere auszutauschen, sondern weitere zu eröffnen.

Und dabei stellt sich schnell heraus, dass es die kleinen Dinge sind, die den großen Unterschied machen: Wie fest und entschlossen man auftritt, ob man lächelt oder nickt, und ob man am Ende des Satzes mit der Stimme hochgeht, sodass eine vorsichtige Frage daraus wird - all das entscheidet darüber, wie der Mensch wahr- und eben auch ernst genommen wird. Kann es sein, dass Männern das alles leichter fällt?

Sensibilisiert für die Nuancen der Körpersprache wurde Diane Torr schon als Kind eines gewalttätigen Vaters, da begann sie Muster und Rollenbilder zu hinterfragen. Obwohl sie dann ein Leben lang mit Geschlechteridentitäten und -rollen experimentiert und jongliert hat, war es ein Zufall, der zur Initialzündung für das Projekt wurde: Annie Sprinkle hatte sie um eine Drag-Fotosession gebeten, die zog sich länger hin als geplant, plötzlich fehlte die Zeit, um sich vor dem nächsten Termin noch in eine Frau zurückzuverwandeln. Also machte sie sich als Mann auf den Weg und erlebte den Alltag auf den Straßen Manhattans in einer anderen Körpersprache. Plötzlich war es nicht mehr sie, die ausweichen musste, stattdessen machte man "ihm" Platz. Scheinbar bewegte sie sich wie jemand, der den Boden unter den Füßen in Besitz nimmt. Wie jemand, der wichtig ist.

Man for a Day, D, GB, Finnland 2012 - Regie und Konzept: Katarina Peters. Kamera: Yoliswa Gärtig, Katarina Peters, Susanne Salonen. Schnitt: Friederike Anders, Jana Teuchert. Mit Diane Torr. Verleih: Salzgeber, 96 Minuten

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