Maler restaurieren ihre Mauer-Gemälde:Geschenk an Berlin

Ihre Mauergemälde sind legendär, schon zu Zeiten des Eisernen Vorhangs wollten sie Ostberlin mit Kunst "einschließen". Jetzt restaurieren die Künstler Thierry Noir und Kiddy Citny ihre Malereien an der Berliner Mauer und retten sie so vor dem Verfall - mit ihrem eigenen Geld und Einsatz.

Skeptisch schaut Kiddy Citny in den grauen Himmel über Berlin. "Hoffentlich fängt es nicht an zu regnen, dann würde die Farbe verlaufen", sagt der Maler. Er und sein Kollege Thierry Noir restaurieren am Freitag und Samstag zwei von ihnen gestaltete Fragmente der Berliner Mauer auf dem Leipziger Platz. Bis Montag (13. August) soll alles fertig sein, dann jährt sich der Bau der Mauer zum 51. Mal.

Kiddy Citny, 2005

Kiddy Citny im Jahr 2005 vor seinem Objekt "Lucky Star", das er 1990 malte.

(Foto: lok)

Der bevorstehende Jahrestag ist Anlass der Aktion, bei der es sich um eine Eigeninitiative der für ihre Mauergemälde international bekannten Künstler handelt. "Es ist ein Geschenk von uns an Berlin und die Berliner", sagt Kiddy Citny und zeigt mit dem Pinsel auf sein farbenfrohes Gemälde. Es stellt eine Figur mit Krone auf dem Kopf dar, die die Welt umarmt.

Thierry Noir, bekannt für seine bunten, glupschäugigen Figuren, ergänzt: "Eigentlich wollten wir die Gemälde bereits im vergangenen Jahr zum 50. Jahrestag des Mauerbaus erneuern." Dem hätte jedoch die Bürokratie im Wege gestanden. "Damals lag dem Denkmalamt der formgerechte Antrag von uns nicht vor", erzählt der 54-Jährige mit einem verschmitzten Lächeln.

Den zwei Mauerteilen, die jeweils an der Nord- und Südseite des Leipziger Platzes stehen, hat die Zeit schwer zugesetzt. Die Farben der Gemälde sind verblichen, der Beton bröselt und gibt verrostete Metallträger frei. Mit ihrer Initiative auf eigene Kosten können die Künstler aber lediglich die Gemälde retten. "Vielleicht werden ja in zwei Jahren zum 25. Jahrestag des Mauerfalls Lottogelder für die notwendige Betonsanierung zur Verfügung gestellt", sagt Citny hoffnungsvoll. Dass das Land Berlin bislang nicht bereit sei, für die Betonsanierung aufzukommen, kann er nicht verstehen. Schließlich seien die Reste der Berliner Mauer ein Wahrzeichen der Stadt und lockten zahllose Touristen an.

Die Gemälde, die er und Thierry Noir jetzt restaurieren, stammen aus der Nachwendezeit. 1998 hatten die Künstler zwei in Höhe des Potsdamer Platzes übrig gebliebene Mauerfragmente gestaltet, die später einige Meter weiter auf den Leipziger Platz transportiert wurden.

"Wir wollten die Reste der Mauer erhalten, als Denkmal für spätere Generationen", sagt Noir. Die Mauerfragmente zu bemalen erschien den Künstlern als der beste Weg, das sicherzustellen.

Die Mauerkunstwerke, für die sie international bekannt wurden und die sich heute in Museen und Privatsammlungen befinden, entstanden jedoch viel früher. 1984 hatten Kiddy Citny und Thierry Noir gemeinsam mit dem Franzosen Christophe-Emmanuel Bouchet damit begonnen, die Mauer in Berlin-Kreuzberg entlang des Bethaniendammes und der Waldemarstraße zu bemalen. Teile dieses Mauerabschnittes wurden berühmt, als sie 1987 in Wim Wenders Film "Der Himmel über Berlin" zu sehen waren.

"Ostberlin mit Kunst einschließen"

"Thierry wohnte damals in Kreuzberg. Zusammen haben wir immer aus dem Fenster auf dieses Bauwerk geschaut", erzählt der 55-jährige Citny, der ursprünglich aus Stuttgart stammt und 1977 in die geteilte Stadt zog. Irgendwann sei die Idee entstanden, "Ostberlin mit Kunst einzuschließen" und zu einer "Museumsinsel" zu machen.

Die Bedingungen, unter denen die Mauerkünstler damals arbeiteten, waren denkbar schwierig. "Anfangs haben wir nur nachts gemalt", erinnert sich Noir, der aus Frankreich stammt und 1982 ins damalige Westberlin übersiedelte.

Einmal seien mehrere mit Maschinengewehren bewaffnete DDR-Grenzsoldaten über die Mauer gesprungen und hätten versucht, ihn zu schnappen. "Wir waren dann vorsichtig. Wenn sich die Grenzsoldaten auf der anderen Seite der Mauer näherten, konnte man die schweren Stiefelschritte hören. Dann sind wir schnell weggelaufen", berichtet der 54-Jährige. Die westlichen Behörden hätten ihnen hingegen wiederholt Vandalismus vorgeworfen, sagt Kiddy Citny.

Heute sind ihre Mauergemälde weithin als Kunst anerkannt und wurden für Millionenbeträge versteigert. Dennoch stoßen die Maler immer wieder auf Desinteresse seitens der Behörden und der Stadt Berlin. Der Plan, die Mauerteile auf dem Leipziger Platz zu restaurieren, sei bereits vier Jahre alt, sagte Kiddy Citny.

So lange habe es gedauert, bis das Denkmalamt nach zahlreichen Gesprächen und Treffen zugestimmt habe, obwohl von Anfang an klar gewesen sei, dass die Stadt keinen Cent dafür zahlen müsse. Die Botschaft seines nun wieder in kräftigen Farben leuchtenden Mauergemäldes will Citny aber nicht vom Behördenärger überschatten lassen: "Es ist eine Aufforderung, die Welt zu umarmen!", betont er.

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