"Magic Mike" im Kino:Strippen wie hysterisches Gelächter

Steven Soderbergh sieht die Männer-Stripper-Show in "Magic Mike" mephistophelisch. Auch dieser Film hat einen doppelten Boden - und enthält sogar eine Prise Zynismus. Nicht zuletzt durch Matthew McConaughey, der mit seiner Rolle Ironie beweist.

Susan Vahabzadeh

Strippen ist grotesk, und in aller Klarheit sieht man das erst, wenn die Bilder davon ganz ungewohnt sind. Frauen in Strapsen haben es längst ins Nachmittagsprogramm geschafft - ein Kerl aber, nackig bis auf Unterhose und Krawatte? Oder, wahlweise, in einer Lederhose mit Hintern-Dekolleté? So eine Hose trägt Dallas auf der Bühne, ein durch und durch schmieriger Typ, von den gegelten Locken bis zu den Cowboystiefeln, er verdient seine Brötchen mit dummen Sprüchen und obszönen Gesten und damit, dass er seinen Jungs, allen voran "Magic Mike", ein Forum bietet, dasselbe zu tun.

Themendienst Kino: Magic Mike

Eine Lektion in nacktem Zynismus: Channing Tatum und Matthew McConaughey.

(Foto: dapd)

Dallas ist der Chef eines Strip-Clubs, in dem er nur noch gelegentlich selbst auf die Bühne steigt - ein Vollprofi, der mit seinen Jungs im Hinterzimmer, wo sie sich zurechtmachen für die große Show, den Traum träumt vom richtig tollen Club in einer richtig großen Stadt. In so einem Augenblick ist vollkommen klar, warum im prüden Amerika die Pornoindustrie und Stripclubs florieren wie nirgends sonst - der amerikanische Traum ist, seit die Spülmaschinen das Tellerwäscher-Business ruinierten, schmuddelig geworden. Dallas ist ein gewiefter Händler, sein Körper ist sein Produkt. Matthew McConaughey, der alternde Mädchenschwarm, dessen Karriere jahrelang eher von halbbekleideten Auftritten in Klatschmagazinen befeuert wurde als von richtig guten Leinwandauftritten, ist für diese Rolle natürlich eine bösartige Besetzung - aber man kann seit ein paar Filmen, die alle in den Wettbewerben der großen Festivals gelaufen sind - William Friedkins Killer Joe oder Jeff Nichols' Mud -, sehr gut erkennen, wie der Vollprofi McConaughey beginnt, mit einem neuen Gut zu handeln: Schauspielkunst.

Man muss das mögen, Männer, die so aussehen, als ob sie jeden Tag acht Stunden im Fitness-Studio schuften - das Resultat wirkt ungefähr so natürlich wie die Oberweite von Pamela Anderson zu ihren körbchenstärksten Zeiten, und auch da konnten Männer ja über den Attraktivitätsgrad ihrer überzeichneten Merkmale herzhaft streiten. Wir lernen die Dallas-Truppe aus der Sicht des 19-jährigen Adam (Alex Pettyfer) kennen. Er ist Mike (Channing Tatum) auf einer Baustelle begegnet, und der weist ihm den Weg, wie man abends noch ein paar Dollar mehr verdienen kann. Ein sehr zauberhaftes Leben hat "Magic Mike" nicht: tags schuften, abends ausziehen, dazwischen Workout, Parties und Suff, das ist nichts, was man lange durchhält. Adams Schwester, die in einem Krankenhaus arbeitet, mag das alles nicht. Erst als sie Mike näher kennenlernt und sieht, wie viel Opfer er zu bringen bereit ist, um sich eine andere Zukunft aufzubauen - ein Laden für handgefertigte Möbel ist für ihn der unerreichbare, noch größere Traum als die Bühne in Miami -, nimmt sie ihn als menschliches Wesen, als potentiellen Gesprächspartner wahr.

Adam mutiert derweil zum besten Beispiel, welche Gefahren die halbseidenen Welten bergen, in denen er nun unterwegs ist - man kann noch schneller Geld verdienen, wenn man sich von der legalen Seite des Nachtclubgeschäfts verabschiedet.

Magic Mike ist im Kern ein Melodram der Gestrauchelten, das in Strip-Nummern ausbricht wie in hysterisches Gelächter. Das ändert aber nichts: Kein anderer Soderbergh-Film, nicht einmal die Ocean's-Stücke mit George Clooney und Brad Pitt, ist so erfolgreich in den USA gestartet wie Magic Mike - und das passierte gerade in jenem Moment, als Soderbergh, enttäuscht vom Misserfolg seines feministischen Martial-Arts-Films Haywire im vergangenen Jahr, seinen angekündigten Rückzug aus dem Filmgeschäft als endgültig beschlossen verkündet hatte. Nun ist sogar ein zweiter Teil von Magic Mike im Gespräch, mit oder ohne Soderbergh. Wenn die Sache wieder besser läuft, lässt er sich vielleicht erweichen.

Voyeuristische Lust an der Demütigung

Soderbergh ist aus der Generation der Filmemacher, die aus dem Independent-Boom der späten achtziger und neunziger Jahre ins Hollywood-Geschäft wechselten, sicherlich der vielseitigste, virtuoser, einfallsreicher, tiefgründiger als jeder andere. Sein bester Film ist Magic Mike trotzdem nicht. Was wohl daran liegt, dass er eine Prise Zynismus enthält, die Soderbergh ansonsten fremd ist - und sein großer Erfolg wahrscheinlich genau darin begründet liegt.

Seit Sex, Lies and Videotape hat Soderbergh jedes Thema und jede Figur vorurteilsfrei betrachtet, und das tut er auch in Magic Mike - es ist aber dann doch am Ende völlig klar, dass einer wie Mike in jeder Gesellschaft immer nur der Verlierer sein kann, wie jede Frau, die in einem Strip-Lokal arbeitet: Mit diesem Job ist er auf der Bank nicht kreditwürdig, mit diesem Job kommt er für die Frauen, die ihm wirklich gefallen, nur als Kurzzeitliebhaber in Frage. Mike ist der männliche Gegenentwurf zu Chelsea in Soderberghs The Girlfriend Experience (2009) - das Callgirl, das sich in einen Kunden verliebt, der sie nur will, solang er für sie zahlt. Beide Filme erzählen ganz subtil davon, wie letztlich keine Form des liberalen Denkens und Handelns je etwas daran ändern wird, dass einer, der Sex für Geld verkauft, immer einen Teil seiner Seele und seiner Würde mit hergeben muss.

Und doch besteht Magic Mike zu weiten Teilen aus Strip-Nummern. Das wirkt ein wenig so, als würde der Film sich voyeuristisch jene Lust an der Demütigung zunutze machen, die Mike erduldet; und es ist relativ unwahrscheinlich, dass die kreischenden Mädels, die in den USA die Kinos stürmten (ein ungewöhnlich hoher Frauenanteil im Publikum wurde Magic Mike nach den Berechnungen der Zuschauerzahlen zugeschrieben), sich über die Ambivalenz dieser Geschichte allzu viele Gedanken machen.

Das macht aber dann auch das Virtuose an Soderberghs Filmen aus: Alles hat bei ihm einen doppelten Boden. Magic Mike gibt Channing Tatum die Gelegenheit, zu zeigen, dass er als Schauspieler auch leise Töne beherrscht, viel mehr als sein anderer Überraschungserfolg in diesem Sommer, 21 Jump Street. Und Matthew McConaughey spielt mit seinem Image, ja, er lässt sich genüsslich zum Narren halten mit dieser Rolle. Genau das gibt ihm seine Würde als Schauspieler zurück - nichts ist so souverän wie Selbstironie. Er ist der heimliche Star in dieser Geschichte, auf dem besten Weg, endlich nicht mehr nur irgendein Hollywood-Star zu sein, sondern eine der ganz großen Schauspieler: der Meister des schmierigen Charmes.

Magic Mike, USA 2012. Regie: Steven Soderbergh. Drehbuch: Reid Carolin. Kamera: Peter Andrews. Schnitt: Mary Ann Bernard. Mit: Matthew McConaughey, Channing Tatum, Alex Pettyfer, Oivia Munn. 110 Minuten.

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