Magazin "Dummy":Darf ich dich "Nigger" nennen?

Was haben "die besten Fick-Soul-Nummern" und zweifarbige Bilder mit schwarzer Kultur zu tun? Das Magazin Dummy betreibt in seiner aktuellen Ausgabe Provokation als Selbstzweck.

Jonathan Fischer

In einem Sketch des afroamerikanischen Komikers Chris Rock schlüpft dieser in die Rolle eines weißen Mannes, der nur ein Problem hat: "Chris kann ich bitte "Nigger" zu dir sagen?" - "Warum solltest du?" - "Ich habe die Welt bereist, mir eine Yacht gekauft und mit Raquel Welch geschlafen. Könnte ich jetzt noch Nigger zu dir sagen, wäre mein Leben perfekt ..." An diese Szene erinnert die Themenwahl der aktuellen Ausgabe des Hochglanzmagazins Dummy - "Schwarze".

Magazin "Dummy": Das Cover der aktuellen "Dummy"-Ausgabe: Roberto Blanco in Milch.

Das Cover der aktuellen "Dummy"-Ausgabe: Roberto Blanco in Milch.

(Foto: Screenshot: dummy-magazin.de)

Aber nur weil eine Welle der Kritik den Herausgeber Oliver Gehrs offensichtlich daran hinderte, sein Lieblingswort groß und breit auf die erste Seite zu setzen - "Neger". Nun wettert der einstige taz- und Spiegel-Journalist etwas wehleidig im Vorwort gegen die "aggressiv-bornierten Kommentare" und das "Schwarz-Weiß-Denken" seiner Widersacher. Und rechtfertigt den ursprünglichen Titelentwurf mit dem Anstoß einer "Diskussion um inkriminierte Begriffe".

Offensichtlich meint Gehrs, gegen ein Monster namens political correctness ankämpfen zu müssen - ohne sich wirklich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Oder zu reflektieren, wie eine solche Auseinandersetzung fruchtbar sein könnte - etwa auf inhaltlicher Ebene, anstatt mit einem mehr oder minder missverständlichen und beleidigenden Titel. Rassismus wirkt nicht weniger verletzend, wenn der Autor sich selbst für einen Linken hält. Dummy, hält Gehrs dagegen, hätte schon immer provozieren wollen. Aber ist Provokation sich selbst genug? Warum dann nicht das Juden-Heft "Itzigs" titeln oder das Türken-Heft "Kanaken"?

Willkürlich

Nun aber badet Roberto Blanco auf dem Umschlag des Dummy-Hefts in einer mit Milch gefüllten Badewanne. Und verkleidet sich - "ein bisschen Spaß muss sein"- als 50 Cent, Bob Marley oder Barack Obama. Folgt auf diese Bilderstrecke vielleicht ein Diskurs über Begriffe und Zuordnungen? Wird Gehrs' angeblicher Wunsch nach Eröffnung einer Diskussion um die Namensproblematik irgendwo im Heft Rechnung getragen? Darf in einer deutschen Zeitschrift mit dem Titel "Schwarze" auch ein schwarzer Deutscher Stellung beziehen? Dreimal gefehlt. Stattdessen ähnelt das Inhaltsverzeichnis einer ziemlich willkürlichen Sammlung von Themen, die irgendwie als "hip" und "provokant" empfunden werden: Von der Fotostrecke über afrikanische Albinos bis zu den angeblich "scharfen Frauen" des R'n'B.

Schwarze Menschen werden da zumeist auf ihren Exotismus reduziert. Wenn sie in Deutschland wohnen, sind es der seiner deutschen Freundin nachziehende Namibier oder der zeichnende Sohn eines schwarzen GIs und einer weißen Mutter - "kein Wunder, dass seine Bilder so zweifarbig sind". Oder ein Autor, der kraft fünf Jahren Südafrika-Erfahrung dortige Rassen-Vorurteile an den Aussagen seiner Haushaltshilfe festmacht. Eine schwarze Normalität in Deutschland scheint in den Köpfen der Herausgeber offensichtlich nicht zu existieren.

"Mulatten"

Schlimmer noch: Kein roter Faden leitet jenseits der Hautpigmentierung - es wird mal von "Farbigen", mal von "Mulatten" gesprochen - durch das Heft. So fragt man sich, was "die besten Fick-Soul-Nummern" mit schwarzer Kultur zu tun haben. Und warum es die vier Seiten über den Sarotti-Mohren versäumen, jenseits einer Firmengeschichte auch die implizite historische Entwicklung des Rassismus in Deutschland aufzugreifen.

Was Dummy dafür umso eindringlicher belegt: Dass die Vergötzung der Provokation per se zu einer Orientierungslosigkeit führen kann, die Mittel und Ziel nicht mehr unterscheidet. Dass es auch angeblich Linken bisweilen gut steht, die eigene Definitionsmacht zu hinterfragen. Und dass der Wunsch, privat oder gar in Massenauflage ein Wort wie "Neger" zu äußern - Chris Rock führt das vor - bestenfalls den Narzissmus des Autors entlarvt.

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