Märchenkönig kommt wieder ins Kino:Neue Superlative für den Kini

Es ist das größte Filmprojekt des Jahres: die Neuverfilmung des historischen Dramas um König Ludwig II. Neuentdeckung Sabin Tambrea spielt den bayerischen Märchenkönig - an seiner Seite das Who-is-Who des deutschen Kinos. Ein Set-Besuch.

Sarah K. Schmidt

Das Bild ist schwarz. Zweimal ist ein Klatschen zu hören, dann geht ein Mond auf, der in die Zimmerwand eingelassen ist und das königliche Schlafzimmer erhellt. Nach seiner Krönung ließ der junge König Ludwig II. umbauen. Nun zieren farbenprächtige Bilder eines Paradiesgartens die hohen Wände, die vom künstlichen Mond in weiches Licht getaucht werden. Stolz präsentiert der Monarch seinen Cousinen Kaiserin Sisi und Prinzessin Sophie eine weitere technische Spielerei: Eine leuchtende Erdkugel rotiert in ihrer Halterung und streut bunte Lichter durch den Raum. Ein grüner Schein wandert über das Gesicht von Sophie, plötzlich hakt die kleine Maschine, dreht sich nicht weiter. "Abbruch", ruft jemand aus dem Hintergrund. Die Kamera stoppt, ein Techniker eilt herbei und beginnt an dem kleinen Apparat herumzufummeln. Ludwig und die königlichen Schwestern lassen die Arme sinken und werden wieder zu Schauspielern im Kostüm.

König Ludwig II. ist nun wieder Sabin Tambrea. Der 27-jährige Theaterschauspieler ist für das deutsche Kino ein neues Gesicht - und für die Rolle des Ludwig die perfekte Besetzung. 1,95 Meter groß und schlank steckt der Schauspieler mit den dunklen Locken und dem feingeschnittenen Zügen in einer dunklen Galauniform mit roter Schärpe. Seine Kolleginnen Hannah Herzsprung und Paula Beer werden durch festliche Ballkleider und kunstvolle Frisuren das königliche Schwesternpaar.

Seit Anfang August laufen die Dreharbeiten für die Neuverfilmung der Lebensgeschichte von Bayerns Märchenkönig - mitten im großen Ludwig-Jahr. Am 13. Juni jährte sich dessen nach wie vor mysteriöse und sagenumwobene Tod zum 125. Mal. Bayern zelebriert mit Inbrunst den Mythos vom "Kini". Über eine halbe Million Besucher kamen zur Landesausstellung "Götterdämmerung" auf Schloss Herrenchiemsee - ein Riesenerfolg. Dennoch kommt die aktuelle Produktion erst Ende nächsten Jahres in die Kinos. Wunschtermin - zumindest für Warner Brothers, die den Spielfilm vermarkten - wäre sicherlich das Jubiläums-Jahr 2011 gewesen. Doch bei Filmprojekten in Größenordnung der Ludwig-Produktion sind Verzögerungen programmiert - im Kleinen, wie im Großen.

Zwischen der ersten Idee und dem ersten Drehtag liegt ein gigantischer Aufwand: Produzenten finden, Finanzierung sicherstellen, Drehgenehmigungen einholen, Team und Schauspielerensemble finden. Seit neun Jahren arbeiten die beiden Regisseure Peter Sehr und seine Frau Marie Noëlle an ihrem persönlichen Ludwig, gemeinsam haben sie das Drehbuch geschrieben. Bavaria Pictures produziert das aufwändigste und teuerste deutsche Filmprojekt des Jahres 2011. 16 Millionen Euro Budget stehen zur Verfügung - viel Geld für deutsche Verhältnisse. Zum Vergleich: Der Schuh des Manitu, einer der erfolgreichsten deutschen Kinofilme, kostete nur etwa vier Millionen Euro. Über 70 Drehtage sind angesetzt, manch anderer Film entsteht in der Hälfte der Zeit.

Aufwand und Anspruch? Gewaltig!

Neben dem Aufwand ist auch der Anspruch gewaltig. Denn nicht nur das Leben und Wirken Ludwigs sind zum Mythos geworden, auch um die künstliche Auseinandersetzung mit einer der schillerndsten Figuren der deutschen Geschichte ranken sich Legenden. Musik, Ballett und Theater zeigen den tragischen Stoff vom jungen König, der sich ganz der Kunst und seinen Visionen hingab und letztlich am eigenen Anspruch und der Realpolitik bitter scheiterte. Auch zahlreiche filmische Inszenierungen widmen sich dem historischen Drama. Nach frühen Stummfilmen Anfang des 20. Jahrhunderts wagte sich 1955 Regisseur Helmut Käutner mit Ludwig II. - Glanz und Elend eines Königs an den heiklen Stoff. 1972 entstanden gleich zwei weitere Filme: Hans-Jürgen Syberbergs Film Requiem für einen jungfräulichen König und Luchino Viscontis fünfstündiger Epos, der in ganzer Länge erst nach dem Tod des Regisseurs rekonstruiert werden konnte. Insbesondere Viscontis detailgetreue und opulente Inszenierung mit Helmut Berger als Ludwig und der Parade-Sisi Romy Schneider hat große Fußstapfen hinterlassen.

Settermin 'Ludwig II.'

König Ludwig II. wie aus dem Gesicht geschnitten: Sabin Tambrea. Der Schauspieler ist genauso musikbegeistert wie der Kini - als Violinist gewann er viele Preise.

(Foto: dapd)

"Wir wollen nicht noch einen weiteren Film machen, der die einzelnen Etappen seiner Biographie bebildert", sagen Peter Sehr und Marie Noëlle. Stattdessen, so das eingespielte Regie-Team, wolle man die Zuschauer mit auf eine Reise nehmen, die "ihren Anfang im wirklichen Leben Ludwigs nimmt und uns Stück für Stück die Tore zu seiner Fantasiewelt öffnet". Drei zeitliche Etappen wählten Sehr und Noëlle aus, um die sich zuspitzende Dynamik des menschlichen und emotionalen Verfalls von Ludwig abzubilden: die Thronbesteigung des empfindsamen jungen Mannes nach dem plötzlichen Tod seines Vaters 1864, den Beginn seiner tragischen politischen wie persönlichen Isolation mit der Ausrufung des Deutschen Reiches 1871 und schließlich das Jahr seines Todes. Besonderes Augenmerk legt das Paar auf die detailgetreue Darstellung der legendären Opulenz von Ludwigs Leben. Eine Entscheidung, die dem Protagonisten ihres Films gefallen hätte. Schließlich war sein Lebenswerk die Erschaffung einer schillernden Welt voller Prunk, Kunst und Kultur, die gleichzeitig Hommage war an die Bauten seines eigenen großen Vorbilds, Louis XIV. Gigantische Summen steckte Ludwig in den Bau seiner Schlösser und die Förderung von Kunst und Kultur. Auch wenn heutzutage ganz andere technische Möglichkeiten bestehen - die Rekonstruktion der königlichen Opulenz bleibt auch im 21. Jahrhundert aufwändig.

Während der Sommermonate drehte das Filmteam an den Originalschauplätzen in Bayern und Österreich. Die Schlösser Neuschwanstein, Linderhof, Herrenchiemsee und die Residenz in München öffneten ihre Tore für die Lastwagen und Busse voller Technikausrüstung, Kostüme und Requisiten. Eine große Herausforderung: Schließlich sind die Schlösser vielbesuchte Touristenattraktionen, zudem in besonderer Weise denkmalgeschützt. "Da konnten wir nicht einfach mal ein königliches Bett beiseite rücken", erzählt Produzent Ronald Mühlfellner. So aufwändig und nervenzehrend es für die Museumsverwaltung und das Filmteam auch ist, Beleuchter, Kamerateam, Schauspieler und manchmal über 100 Komparsen in Filzpantoffeln durch die bayerischen Schlösser zu schleusen - die historische Kulisse steht hier bereits. Für den Dreh im Filmstudio, der nun begonnen hat, muss die königliche Wirklichkeit von vor 150 Jahren buchstäblich aus dem Nichts neu erschaffen werden.

Auf gut 3000 Quadratmeter Fläche und unter einer luftige Deckenhöhe von 14 Metern haben Szenenbildner Christoph Kanter und sein Team Großartiges geleistet. Wie gigantische Schuhkartons sehen die Bauten aus, die Szenenbildner in der größten Halle des Bavariageländes errichtet haben. Mit Kanter konnten Marie Noëlle und ihr Mann einen Experten für historische Themen gewinnen. Kanter stattete bereits Michael Hanekes Film Das weiße Band aus; für diese Arbeit wurde er verdientermaßen mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet. Schon vor über einem Jahr begann er Geschichtsbücher und Bildbände über das 19. Jahrhundert zu wälzen und sprach mit Historikern. Auf Basis dieser Recherche baute er ganze Räume von Schloss Berg und der Münchner Residenz detailgetreu nach: mit stuckverzierten Wänden, Parkettfußboden, seidenen Stofftapeten und royalem Mobiliar. Selbst beim Blick durch die Fenster bleibt die Illusion perfekt. Rund um die künstlichen Gemächer zeigen meterhohe Aufsteller eine Aussicht, wie sie König Ludwig II. vor 100 Jahren hatte, als er aus seinem Audienzzimmer blickte. Stolz präsentiert Produzent Mühlfellner auch noch einen gläsernen Wintergarten: "Den gibt es heute gar nicht mehr. Wir haben ihn historisch korrekt nachgebaut."

"Bitte Ruhe, wir drehen"

Settermin 'Ludwig II.'

Auf den Spuren von Romy Schneider: Hannah Herzsprung spielt in Ludwig II. die Kaiserin Sisi.

(Foto: dapd)

Im Schlafzimmer des Regenten können nun die Dreharbeiten fortgesetzt werden - die leuchtende Weltkugel bewegt sich wieder. "Bitte Ruhe, wir drehen!", ruft der Regieassistent. Techniker, Garderobieren und Maskenbildner, die rund um das Raumimitat herumwuseln, verstummen. Im Inneren machen sich die Schauspieler bereit. Außerhalb sitzen die Regisseure, zwischen sich Kameramann Christian Berger, auf Klappstühlen vor einem kleinen Monitor, der live das Bild der Kamera überträgt. Gedreht wird digital mit dem neusten Hightechmodell der Firma Arri, bedient wird es von den sogenannten Kamera-Operatoren. Mit ihnen bespricht Christian Berger, österreichische Koryphäe der Bildgestaltung, exakt seine Vorstellungen.

"Und Action": Hinter der Kulissenwand hört man ein Klatschen, auf dem Bildschirm wird es hell, der Raum erscheint. Noch einmal erklärt König Ludwig voll Stolz Sisi und Sophie die Lichtinstallationen. Im Schein der Regenbogen-Lichtmaschine glitzern ihre Kleider mit den Brillantklunkern an ihren Hälsen um die Wette. Auch Kostüm und Maske haben ganze Arbeit geleistet: Hunderte Roben, Galauniformen und Spitzenröcke wurden eigens genäht, kunstvolle Perücken, Bärte und Koteletten geknüpft.

Plötzlich fällt das Licht gänzlich aus. Doch diesmal gehört der Patzer zum Drehbuch - der kunstbegeisterte Jungkönig bekommt einen Tobsuchtsanfall, während eine verruchte Sisi sich eine Zigarette ansteckt. Der Marstall des Königs Richard Hornig, alias Schauspieler Friedrich Mücke, stürmt durch die Flügeltüre. "Und Danke", ruft Marie Noëlle. Ende der Szene, die Regie ist zufrieden. Doch nun tobt auch Kameramann Berger ein wenig: "Ihr müsst die Tür richtig zumachen- da fällt Licht durch den Spalt", schimpft er. Die Szene muss doch noch einmal wiederholt werden.

Nächste Woche werden zum letzten Mal die Koffer gepackt. Diesmal geht es nach Paris, zum Dreh in Schloss Versailles. Bis Mitte November laufen dann noch die Dreharbeiten im Studio, dann verabschiedet sich das Filmteam in den Weihnachtsurlaub und übergibt an die Kollegen aus der Postproduktion, die die vielen Stunden Filmmaterial bearbeiten und in Spielfilmlänge bringen. "Am 20.12.2012 ist es dann soweit", kündigt Ronald Mühlfellner an. "Nein, nicht der Weltuntergang, dann kommt Ludwig II. in die deutschen Kinos."

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