Lyrik:Kindergedichte von Mascha Kaleko 

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Ganz viel Berliner Flair steckt in den Kindergedichten der berühmten Dichterin. Dazu witzige Illustrationen.

Von Nico Bleutge

Der Berliner Niesel hat schon so manchen Dichter um eine Idee gebracht. Oder wenigstens um die gute Laune. Dabei kann es so einfach sein, die Stimmung zu heben. Man muss nur aus dem Fenster sehen - schon lassen sich überall kleine "Schirmgespenster" entdecken: "Gummimäntel auf zwei Beinen / und ein Schirm anstatt Gesicht. / Auch Galoschen. Aber einen / Kopf, den ha'm sie alle nicht."

Die Dichterin Mascha Kaléko (1907 - 1975) hat in ihren Gedichten und Liedern immer wieder die Wege und Atmosphären ihrer Lebensstadt Berlin besungen "Verse vom Alltag" hieß ihr erstes Büchlein im Untertitel. Und tatsächlich hatte Kaléko von Beginn an ein feines Gespür für die Schwingungen des städtischen Daseins, für die Menschen und ihre Sorgen: "Seit zehn Uhr morgens blick' ich still zur Türe. / Nun ging der Geldbriefträger auch vorbei. / Ein Pfandschein und ein Fahrscheinheft vom Mai / Sind meine wertbeständigen Papiere."

So ist es kein Wunder, dass sie auch in ihren Kindergedichten berlinert, was das Zeug hält: "Da! Sehnsemal: en Kranich! / - Sie, ärgernse den ja nich." Wobei viele der Kindergedichte in den USA entstanden sind, wo Kaléko nach ihrer Emigration lebte. Aus der Erinnerung wendet sie sich Schlafliedern zu und den Wolken, Kochrezepten und dem Tee. Und natürlich - Stichwort: Kranich - den Tieren. Wie immer ist es ein höchst ergiebiges Verfahren, Tiere als Spiegel menschlicher Empfindlichkeiten zu sehen: "Der Holzwurm ist verbohrt und stier, / Ein höchst introvertiertes Tier. / Er hockt im Bau und nährt sich redlich; / Die Außenwelt erscheint ihm schädlich." Kaléko schönt aber nichts, vielmehr weiß sie, das Verhältnis von Mensch und Tier ist durchaus auch ein kulinarisches. Besonders die Schildkröte hat es hier schwer: "Ihr Dasein wäre recht beschaulich, / Wär sie nur nicht so leicht verdaulich!" Beschaulich sind die Gedichte aber keineswegs, eher wertbeständige Papiere ganz eigener Art. Das liegt vor allem an der sprachlichen Kraft ihrer Autorin. Mascha Kaléko reimt sich einmal quer durch die Fauna aller Kontinente. Und Reimen macht erfinderisch. Was reimt sich auf "Kobra"? Genau, der "Welterobra". Und in wen verliebt sich der Kakadu? Natürlich in die "Kaka-Duse" - die reimt sich nämlich auf die "Pampel-Muse". Nebenbei erfahren wir, was ein "Sauregurkenhund" ist und warum die Fische stumm sind. Wir dürfen es hier nicht verraten.

Verraten sei aber, wie gut es Mascha Kaléko gelingt, in ihren Gedichten auf jeden belehrenden Ton zu verzichten. Hildegard Müller hat diese Offenheit in ihren Illustrationen geschickt eingefangen. "Kleines Lesebuch für Große" nennt sich eines von Mascha Kalékos vielen Büchern. Dieser schöne Band mit Kindergedichten kehrt das Verhältnis einfach um. Er ist ein "Großes Lesebuch für Kleine", dem man lustvoll bis in die letzten Reime folgt. (ab 8 Jahre)

Mascha Kaléko: Träume, die auf Reisen führen. Gedichte für Kinder. Mit Illustrationen von Hildegard Müller. Herausgegeben von Eva-Maria Prokop. dtv Verlag, München 2016. 168 Seiten, 16,95 Euro.

© SZ vom 29.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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