Ludwig-Börne-Preis für Alice Schwarzer:Wider den Wellness-Feminismus

Auszeichnung für das "personifizierte Sturmgeschütz der Gleichberechtigung": Alice Schwarzer hat in der Frankfurter Paulskirche den mit 20.000 Euro dotierten Ludwig-Börne-Preis erhalten. Sie dankte mit einer Schelte an die "neuen deutschen Mädchen".

TV-Moderator Harald Schmidt, Juror und Laudator, würdigte die 65-Jährige als unermüdliche Streiterin für die Sache der Frau - "so wie Alice sie sieht". Zugleich bescheinigte er ihr Witz und Humor. Sie bedankte sich mit einem Vergleich zwischen Börnes Engagement für Demokratie und der Frauenbewegung.

Ludwig-Börne-Preis für Alice Schwarzer: Alice Schwarzer (mit Laudator Harald Schmidt): Habe keine Lust, Post-Girlies zu vertreten

Alice Schwarzer (mit Laudator Harald Schmidt): Habe keine Lust, Post-Girlies zu vertreten

(Foto: Foto: dpa)

"Wenn es um ihre Herzensangelegenheiten geht, kann Alice Schwarzer nerven", sagte Schmidt. "Aber nicht jede, die nervt, hat die Qualitäten von Alice Schwarzer." Er erinnerte an die Aktion "Ich habe abgetrieben", die Schwarzer 1971 initiierte, und an ihre lange Freundschaft mit Simone de Beauvoir. Schwarzer sei Beauvoirs Botschafterin in Deutschland, betonte er.

"Esther Vilar, Verona Feldbusch und Sepp Maier pflastern Deinen Weg", sagte Schmidt in Anspielung auf Schwarzers Fernsehauftritte - mit Maier saß sie im Rateteam in der Sendung "Ja oder Nein" von Joachim Fuchsberger. Schmidt lobte Schwarzers Engagement für die von ihr gegründete Frauenzeitschrift Emma und erwähnte auch ihre PorNo-Kampagne. Diese habe es in Zeiten, in denen Familienväter Minderjährige in Unterwäsche vom heimischen Sofa aus im Fernsehen anschauen könnten, nicht einfach.

Kritik an den "Girlies"

In letzter Zeit gebe es neue, jüngere Feministinnen, sogenannte Girlies, für die Schwarzer so etwas sei wie Franz Beckenbauer für den Fußball: nicht wegzudenken, aber nicht mehr aktuell, sagte Schmidt. Doch "da fragen wir, wo die Girlies sind: An der Spitze der deutschen DAX-Unternehmen jedenfalls nicht", meinte er.

Auch Schwarzer distanzierte sich in ihrer Dankesrede von den "neuen deutschen Mädchen" und deren "Wellness-Feminismus": Von ihnen höre man Sätze wie: "Wenn Alice Schwarzer gegen Zwangsheirat und Ehrenmord kämpft, hat das mit uns nichts zu tun." Sie schwärmten für Pornos und betrachteten Prostitution als - auch noch lustvollen - Beruf. Wie es den Zwangsprostituierten gehe, "daran scheinen diese Post-Girlies keine Gedanken verschwendet zu haben", kritisierte sie. Sie dächten im Namen des Feminismus nur an eigene Bedürfnisse und diese hießen Männer und Karriere. Es habe sie erschreckt, wie offen man heutzutage seine Hartherzigkeit zeigen dürfe.

Jedenfalls hoffe sie, dass sie von nun an nicht mehr als "Vertreterin der Frauenbewegung" tituliert werde. "Ich habe keine Lust, diese Post-Girlies zu vertreten."

Islamismus "dunkelster Rückschlag unseres Jahrhunderts"

Weiter zog Schwarzer eine Parallele zwischen Börnes Paria-Dasein als Jude in Frankfurt und der Situation von Frauen. Nicht zufällig seien Frauen und Juden auch die ersten im Visier islamischer Fundamentalisten, des "dunkelsten Rückschlags unseres Jahrhunderts", erklärte Schwarzer. Sie halte es wie Börne, erklärte die Journalistin und Autorin: "Nicht meine persönlichen Angelegenheiten sind die Welt, sondern die Welt ist meine persönliche Angelegenheit."

Der Ludwig-Börne-Preis wird seit 1993 jährlich verliehen und ist eine der höchstdotierten literarischen Auszeichnungen Deutschlands. Über den Preisträger entscheidet ein vom Vorstand der Ludwig-Börne-Stiftung benannter Juror in alleiniger Verantwortung. Geehrt werden deutschsprachige Autoren, die im Bereich des Essays, der Kritik und der Reportage Hervorragendes geleistet haben. Preisträger waren unter anderen Henryk M. Broder (2007), Marcel Reich-Ranicki (1995) oder Hans Magnus Enzensberger (2002).

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