Little Britain:Wie man ein deutscher Klugscheißer wird

Besser als die Beatles klingt nur noch der schottische Akzent. Eigentlich ist er der Schönste überhaupt, findet unser Autor. Wer Schottisch spricht, kann deshalb alles behaupten - sogar, dass James I. geköpft wurde.

Christian Zaschke

Dass Barry nicht singen konnte, hielt ihn nicht vom Singen ab. Barry klang, selbst nachdem der Mischpult-Mann ihm alles reingedreht hatte, Hall, Bass, Echo, wie ein Papagei. Jeder konnte es hören in dem kleinen Pub in Liverpool, außer Barry, der vorher, draußen beim Rauchen, erzählt hatte, dass er ein guter Sänger sei.

TO ACCOMPANY FEATURE BC-IRELAND-GUINNESS

Unser Autor hebt in seiner Kolumne ein irisches Bier mit einem in Düsseldorf geborenen Schotten.

(Foto: Reuters)

Er hatte auch erzählt, dass er in Düsseldorf zur Welt gekommen, aber in Wahrheit Schotte sei, aus Edinburgh. Barry hatte zudem erklärt, dass es in diesen turbulenten Tagen einen neuen Oliver Cromwell brauche. Cromwell machte England im 17. Jahrhundert vorübergehend zur Republik. Barry sagte: "Oliver Cromwell würde ins Parlament reiten und die Drecksäcke rausjagen. Und den König köpfen lassen." Er sagte das in seinem wunderbaren schottischen Akzent. Es gibt keinen schöneren auf der Welt.

Der schottische Akzent ist eines der großen Wunder der Natur. Wenn man ihn hört, ist man kurz geneigt zu glauben, dass in der Welt doch ein tieferer Sinn verborgen sein könnte. Barrys Akzent klang so gut, dass der Plan, die Drecksäcke rauszujagen und den König (welchen auch immer) köpfen zu lassen, absolut plausibel erschien. Barry erzählte begeistert, wie Cromwell damals König James I. habe köpfen lassen, er schwang seine Arme durch die Luft, als bewege er ein sehr großes Schwert und rief: "Rübe ab!" Auch das war aufs Schönste plausibel, es war ein warmer Abend, Barrys Akzent klang besser als die Beatles, und ich kann mir noch immer nicht erklären, warum ich mich plötzlich sagen hörte: "Charles I."

Das einzig Gute am Älterwerden ist doch, dass man lernt, den Mund zu halten. Rechthaben wird, wenn der Alterungsprozess normal verläuft, eine zunehmend unwichtige Kategorie. Wie permanente Erreichbarkeit oder Romane von Philip Roth. Ich aber hatte "Charles I." gesagt, weshalb sich Barry erkundigte, wer hier der Schotte sei. "Du", sagte ich wahrheitsgemäß. "Und wen hat Oliver Cromwell köpfen lassen?", rief Barry. "Charles I.", sagte ich, was ebenfalls der Wahrheit entsprach, aber die falsche Antwort war. Barry überzog mich mit einem Vortrag, der darin gipfelte, dass er mich einen verdammten deutschen Klugscheißer nannte, der keine Ahnung von Geschichte hat, was in seinem wunderbaren Akzent so wahr klang, dass ich sofort zustimmte.

Barry hat mich daraufhin in den Pub geschoben, und während ich zwei Guinness besorgte, bedeutete er dem Mischpult-Mann, ihm alles reinzudrehen, Hall, Bass, Echo. Das Problem war dann gar nicht mal, dass Barry nicht singen konnte. Das Problem war, dass Barry beim Singen keinen Akzent hatte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: