Little Britain:Tief Luft holen, beten und dann Gas geben

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Britische Autovermieter reagieren extrem nervös, wenn sie erfahren, dass manche ihrer Kunden das letzte Mal vor zwei Jahren im Linksverlehr unterwegs waren: Es bildet sich zwischen ihren Augenbrauen eine Furche in der Tiefe des Marianengrabens. Und: Selbst die überteuerte Zusatzversicherung erscheint ihnen dann grotesk billig.

Christian Zaschke

Der Mann in der Autovermietung hatte jedes Vertrauen in mich verloren, als ich die linke Tür des Mietwagens öffnete, auf den Beifahrersitz blickte und murmelte: "Ach, stimmt ja, andere Seite." Ich lief um den Wagen herum und sagte: "Kleiner Scherz." Aber der Autovermietmann wusste, dass es kein Scherz war. Er kannte diese Art von Kunden. Selbst schuld, dachte ich, denn er hätte viel früher skeptisch werden müssen: Schließlich hatte ich diese Zusatzversicherung abgeschlossen, die kein normaler Mensch abschließt, weil sie viel zu teuer ist.

Eine Herausvorderung für jeden Deutschen: Linksverkehr in Groß Britannien (Foto: dpa/dpaweb)

Da hatte der Autovermietmann zwar zum ersten Mal überrascht geschaut, allerdings eher erfreut, wohl weil er dachte: "Schau an, der Deutsche kauft tatsächlich die überteuerte Zusatzversicherung. Läuft ja spitze heute." Als wir alle Modalitäten geklärt hatten und er mich zum Wagen brachte, fragte er, wann ich zuletzt im Linksverkehr unterwegs gewesen sei: "Och, das ist nicht mal zwei Jahre her", sagte ich.

Zwischen den Augenbrauen des Autovermietmanns bildete sich eine Furche von der Tiefe des Marianengrabens. "Aber Sie kommen zurecht?", fragte er. "Im Großen und Ganzen schon", sagte ich. Im Gesicht des Vermieters las ich, dass er die Zusatzversicherung plötzlich für grotesk billig hielt. In diesem Moment öffnete ich die linke Tür.

Die Autovermietung gehört nicht zu einer der großen Ketten. Sie liegt auf einer Verkehrsinsel, die von drei Straßen umgeben ist, über die unentwegt Autos, Lastwagen und Busse rasen. Bisweilen wagen sich Menschen auf Rollern, Motorrädern und sogar Fahrrädern in den Strom. Da sich auf der Verkehrsinsel außer der Autovermietung und der Zufahrt zu einer Tiefgarage nichts weiter befindet, haben es die Verkehrsplaner für überflüssig gehalten, eine Fußgängerampel zu bauen.

Für die Autovermietung hat das den Vorteil, dass nicht dauernd Laufkundschaft reinschneit. Für die Kunden hat es den Nachteil, dass die Autovermietung im Grunde nur mit dem Auto erreichbar ist. Die Verkehrsinsel liegt in den Londoner Verkehr gebettet wie Tristan da Cunha in den Atlantik.

Es gibt zwei Möglichkeiten: Erstens, man lässt sich von einem Bekannten mit dem Auto vorbeibringen. Zweitens, man stellt sich an den Rand der schmalsten dieser drei Straßen (die mit den fünf Spuren), wartet, wartet, betet und rennt. Ich habe die zweite Option gewählt.

Nachdem ich mich auf den Fahrersitz gefaltet hatte, griff ich unter den Augen des Autovermieters instinktiv über meine linke Schulter, wo ich jedoch nicht den Gurt, sondern Leere fand. Ich lächelte ihm aufmunternd zu, startete den Motor, legte den Gang ein und ruckelte vorsichtig zur Ausfahrt. Keine Lücke im unendlichen Strom des Verkehrs. Eine Minute, zwei Minuten. Als ich im Rückspiegel den Vermieter kopfschüttelnd auf mich zugehen sah, holte ich tief Luft, betete, und dann gab ich einfach Gas.

© SZ vom 25.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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