Little Britain:Lizenz zum Kochen

Unterwegs mit schneeweißem Gesicht: Muscheln in Birmingham können gefährlicher sein als ein Kugelfisch in Japan. Doch dieser Duft: Sind das nicht die berühmten Würste von Euston?

Christian Zaschke, London

Nachdem ich neulich die gar nicht mal so hervorragende Idee hatte, in Birmingham Muscheln zu essen, wachte ich morgens schweißnass und zwei Kilo leichter auf. Ich ging ins Badezimmer des Miet-Apartments und schaute in den Spiegel. Das Badezimmer war der angenehmste Ort des Apartments, weil im Badezimmer kein Teppich lag. Der Teppich, der im Rest des Apartments ausgelegt war, roch eigenwillig; ich möchte da gar nicht ins Detail gehen.

Little Britain: Kugelfisch in Tokio: Kugelfisch-Köche in Japan müssen über eine spezielle Lizenz verfügen.

Kugelfisch in Tokio: Kugelfisch-Köche in Japan müssen über eine spezielle Lizenz verfügen. 

(Foto: Yoshikazu Tsuno/AFP)

Aus dem Spiegel schaute mich ein Mann an, der sich offenbar das Gesicht weiß geschminkt hatte, weil er einen Auftritt als Pantomime plante. Ich ignorierte den Mann, putzte mir die Zähne, wusch mich, verließ das Apartment und stieg in den Zug nach London. Wälder rauschten vorbei, Kleinstädte und Lärmschutzwände.

Ich erinnerte mich an einen fernen Tag, an dem ein nachtblauer Polo Fox und ich Deutschland in seiner Gänze von Nord nach Süd hatten durchmessen müssen. Der Polo hatte 44 PS, weshalb ich ihn Racing Fox nannte. Er machte lässig 100 Sachen die Stunde, ab 110 vibrierte das Lenkrad wie ein Magen, der Muscheln in Birmingham gegessen hat.

Der Polo war okay. Auf Höhe der Kasseler Berge begann eine Radio-Sendung über gefährliches Essen. Abwechselnd erzählten ein Mann und eine Frau. Der Mann hatte diese typisch männliche Radio-Stimme: einen Tick zu sympathisch, nicht ganz Lee-Marvin-tief, aber auch nicht Pumuckl-hoch.

Der Mann war okay. Die Frau aber hatte eine Stimme - wenn ein Sonnenaufgang sprechen könnte, so würde er klingen. Sie erzählte von der komplizierten Zubereitung eines Kugelfischs in Japan. Kugelfische sind bekanntlich giftig. Damals war das noch neu. Heute weiß man aus zahllosen Privatfernseh-Reportagen, dass man beim Verzehr eines Kugelfischs sterben kann, wenn er nicht richtig zubereitet wurde. Kugelfisch-Köche in Japan müssen über eine spezielle Lizenz verfügen.

Die Frau erzählte und erzählte, und ich fuhr und fuhr. Wälder rauschten vorbei, kleinstadtgroße Rastplätze und Lärmschutzwände. Nie wieder habe ich eine Stimme wie diese gehört.

Nach Erreichen des Bahnhofs London Euston war ich immer noch ein wenig mitgenommen, aber hatte wieder Farbe im Gesicht. Trotzdem widerstand ich der Versuchung, bei den Banger Bros. vorbeizuschauen. Die Banger Bros. in Euston machen sehr gute Würste. So gut, dass ich mir einbilde, sie verfügen über eine spezielle Lizenz. Ich ignorierte den Duft und fuhr die Rolltreppe zur U-Bahn hinunter, zur Northern Line, die in der Nähe des Erdmittelpunktes operiert.

Während es abwärts ging, erinnerte ich mich: Fugu heißt das Kugelfisch-Gericht. Seit ich Muscheln in Birmingham gegessen habe, bin ich bereit, es vielleicht ein einziges Mal zu probieren.

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