Little Britain:Das Geheimnis der Bierflasche

Das Bild "Schlacht von Trafalgar" von William Turner

Das Gemälde "Schlacht von Trafalger" des britischen Künstlers William Turner.

(Foto: AFP)

Unser Kolumnist besucht das Museum Tate Britain mit einem Freund. Der weist ihn darauf hin, dass der bekannte Maler William Turner gerne völlig nutzlose Objekte in seinen Bildern versteckt. Unter anderem eine herrenlose Bierflasche.

Von Christian Zaschke, London

Der stets erstaunliche G. hatte gefragt, ob ich die Geschichte von der amerikanischen Touristin und Windsor Castle schon kenne. Jeder, der im Großraum London und damit in der Nähe des Flughafens Heathrow wohnt, kennt die Geschichte von der amerikanischen Touristin und Windsor Castle. Sie ist nur so halblustig, am Ende fragt die Amerikanerin, warum die Queen ihr Schloss mitten in die Einflugschneise gebaut hat. G. kann es jedoch nicht allzu gut leiden, wenn man seine Geschichten schon kennt, weshalb ich entschieden verneinte.

Er hatte mich unter Vorwänden in die Tate Britain gelockt. Man könne sich mal die L.-S.-Lowry-Ausstellung anschauen, hatte er gesagt. Lowry war ein englischer Maler, der dafür bekannt ist, dass auf seinen Bildern viele kleine Menschen zu sehen sind. Außerdem der immergleiche, immergraue Himmel. Wetter lag ihm nicht so.

Riesenkrokodile und herrenlose Kürbisse

In Wahrheit hatte G. natürlich nicht das geringste Interesse an kleinen Menschen und immergrauem Himmel. Er warf einen kurzen Blick auf die Lowry-Schlange, dann lenkte er mich entschlossen in Richtung der Turners. Joseph Mallord William Turner, der von 1775 bis 1851 lebte, konnte Wetter wie kein Zweiter.

G. findet, im Museum könne man würdevoller als irgendwo sonst darauf warten, dass die Tageszeit anbricht, zu der man ohne schlechtes Gewissen einen Pub aufsuchen kann. Zudem hat er eine These zu Turner entwickelt: Der habe, wenn er nicht gerade Wetter malte oder mehrere Ladungen Deckweiß auf der Leinwand verteilte, hier und da Gegenstände und Wesen ins Bild geschmuggelt, die da definitiv nicht hingehören. Dies, meint G., werde von der Kunstgeschichte bisher noch nicht ausreichend gewürdigt.

Eine vergessene Flasche Bier

"Schau's dir an", flüsterte er. Wir standen vor einem Gemälde mit dem wunderbaren Titel "The Goddess of Discord Choosing the Apple of Contention in the Garden of the Hesperides". G. deutete auf den rechten oberen Teil des Bildes. Dort lungert, von den Menschen im Bild offenbar unbemerkt, ein veritables Riesenkrokodil auf einem Felsen herum und hält seine schwertlange Zunge in die Sonne. "Hm", sagte ich.

Als Nächstes zeigte er mir ein Bild, in dem mittendrin ein herrenloser Kürbis zu sehen ist. "Hmhm", sagte ich. Dann führte er mich zielstrebig zu einem weiteren Turner, in dem, unauffällig und doch unübersehbar, eine vergessene Flasche Bier knapp unterhalb der Bildmitte steht. "Erstaunlich", sagte ich. G. nickte zufrieden. "Mit diesen Informationen müsste man doch in Deutschland sogar promovieren können", sagte er, "oder meinst du, das wissen da schon alle?" Ich verneinte entschieden.

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