Im Internet, das alles weiß und alles versteht, findet sich der Satz, Dylan habe einflussreichere Platten gemacht als das 1975 erschienene Album "Blood on the Tracks", aber keine bessere. Damit ist eigentlich alles gesagt. "Blood on the Tracks" ist soooo Dylan. Assoziationsreiche Wortkaskaden, schlanke Gitarre, Sätze für die Ewigkeit, ein bisschen Bass, Herz gereimt auf Schmerz, doch so, wie man es zuvor noch nie gehört hat. Eimerweise Gefühle. Die Ehe-kaputt-Platte. Doch wenig Anklage. Überraschend viel Lachen zwischen den Tränen. Anwälte zucken mit den Achseln und gehen wieder. Die Mietmusiker halten den bitteren Geschmack dieser Songs auf Distanz, die klassisch lang sind, klassisch kurz, klassisch Pop, klassisch Dylan. Auf der Parallelspur I, dem Live-Album "Hard Rain" können wir die Songs als zynische Monster erleben, auf der Parallelspur II, der sogenannten Bootleg Series, privat und zerknirscht; der Sänger ist dort am Ende seiner Weisheit. Doch hier auf "Blood on the Tracks" reißt der Profi sich am Riemen, erzählt konzentriert, was er zu erzählen hat - und wie nur er es erzählen kann. Jeder Song Ausdruck der narzisstischen Verletztheit eines Mannes, der nicht so recht zu wissen scheint, was das heißen soll, demnächst Dreißig zu werden, uralt also, und plötzlich allein zu sein. Der kühle Blick zurück - also die Besinnung auf akustische Musik, der demonstrative Verzicht auf Rock - soll zeigen, dass ihm diese Verletztheit aber nichts anhaben kann. Dass alles unter Kontrolle ist. Werch ein Illtum, um einen anderen großen alten Mann zu zitieren.