Literaturdebatte:Habermas verteidigt umstrittene Buchpublikation

Der Philosoph Jürgen Habermas weist die Kritik an der Veröffentlichung des Buches "Nach dem Terror" zurück. Er räumt aber ein, wegen seiner Empfehlung mitverantwortlich für den Titel zu sein. Ein Kritiker hatte von "philosophischem Judenhass" gesprochen.

Gegen das bei Suhrkamp erschienene Buch des kanadisch-britischen Philosophen Ted Honderich, "Nach dem Terror. Ein Traktat", hat der Direktor des Fritz-Bauer-Instituts in Frankfurt, Micha Brumlik, schwere Antisemitismus-Vorwürfe erhoben.

Honderich verbreite "antisemitischen Antizionismus" und rechtfertige die Ermordung jüdischer Zivilisten in Israel, kritisierte Brumlik in einem Offenen Brief in der "Frankfurter Rundschau".

Als Konsequenz forderte er den Suhrkamp Verlag auf, das Buch vom Markt zu nehmen. Das Fritz-Bauer-Institut befasst sich mit der Geschichte des Holocaust und dessen Folgen.

Suhrkamp-Programmleiter Günter Berg wies die Vorwürfe zurück. Er räumte allerdings ein, Honderich seien bei seiner Auseinandersetzung mit der Situation in Israel möglicherweise methodische Fehler unterlaufen: "Er unterscheidet seine politische Bewertung des palästinensischen Terrors nicht von dessen moralischer Rechtfertigung. Hier hätte man noch sorgfältiger hingucken und mit dem Autor sprechen müssen."

Dennoch sehe er keinen Anlass für einen Auslieferungsstopp des Buches, sagte Berg.

"Wir bedauern außerordentlich, dass Herr Brumlik nicht zunächst das Gespräch mit uns gesucht, sondern gleich einen Offenen Brief veröffentlicht hat", sagte Verlagssprecherin Heide Grasnick.

Das kritisierte Buch versucht nach Angaben Bergs darzustellen, wie die auch von Honderich massiv verurteilten Terroranschläge vom 11. September 2001 zu erklären sind.

An zwei Stellen setzte sich Honderich als Beispiel für Konflikte auf der Welt auch mit der Situation in Israel auseinander.

Auch der Philosoph Jürgen Habermas, der Honderichs Buch dem Verlag empfohlen hatte, verwahrte sich gegen den Antisemitismus-Vorwurf. Er räumte in der "Frankfurter Rundschau" allerdings ein, dass das Buch einige Sätze enthalte, die sich, "wenn man sie ohne hermeneutische Nachsicht aus dem Zusammenhang der Argumente löst, auch gegen die Intention eines Autors immer für antisemitische Zwecke verwenden" ließen. Es tue ihm jedoch leid, wenn er es bei seiner Empfehlung des Buches an der gebotenen Rücksichtnahme habe fehlen lassen. Brumliks Brief habe ihn "aufgescheucht".

Er trage wegen seiner Empfehlung einen Teil der Verantwortung für den Titel.

Sein Freund Brumlik urteile jedoch "ohne Augenmaß", wenn er "Nach dem Terror" mit den Äußerungen des inzwischen gestorbenen FDP- Politikers Jürgen Möllemann und dem ebenfalls wegen angeblich antisemitischer Passagen kritisierten Roman "Tod eines Kritikers" von Martin Walser auf eine Stufe stelle.

Habermas räumte ein, es handele sich bei Honderichs Buch "um ein hemdsärmliges Pamphlet, mit dem ein wissenschaftstheoretisch gut ausgewiesener Philosoph auch einmal ein größeres Publikum erreichen möchte."

Das Buch ist in der Jubiläumsreihe "40 Jahre edition suhrkamp" erschienen. Brumlik kritisierte, dass ausgerechnet ein Verlag wie Suhrkamp, der unter anderem einen Jüdischen Verlag betreibe, "philosophischen Judenhass" publiziere.

"Was soll all das Gerede vom deutsch-jüdischen Geist, was die Verbindung Ihres Hauses mit Amos Oz, wenn Sie derlei veröffentlichen? (...) Gibt es überhaupt noch eine verantwortliche Kontrolle über das Lektorat?", schrieb Brumlik empört. Sein Institut fühle sich besonders dem Suhrkamp-Hausautor Theodor W. Adorno verpflichtet, "der als höchste praktische Maxime postuliert hat, dass sich Auschwitz nicht wiederholen dürfe."

(Quelle: sueddeutsche.de /dpa)

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: