Literatur:Zerrissen

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Julia Benkert stellt ihren ersten Roman vor

Von Hannah Vogel, München

Beinahe hätte die Welt nie von ihrem Gesang erfahren. Denn Daya verstummt, als ihre Eltern zu Beginn des nepalesischen Bürgerkriegs ermordet werden. Und ihre Schwester Leela verschwindet. Erst in einem buddhistischen Kloster findet sie ihre Stimme wieder. Dies ist der Schlüsselmoment in Julia Benkerts erstem Roman "Das Flüstern des Himmels", den sie am Sonntag (11 Uhr) bei einer Matinee im Monopol-Kino vorstellt.

Vorbild für ihre Protagonistin ist die singende Nonne Ani Choying Drolma, deren Leben die Münchner Dokumentarfilmerin porträtieren wollte. Als sie durch ihre Recherchen mehr über das vom Bürgerkrieg zerrüttete Nepal erfuhr, erkannte sie, dass sich dessen politische und gesellschaftliche Zerrissenheit fiktiv besser erzählen lässt. So trifft Daya auf eine Kommandantin der maoistischen Rebellen, deren Genossen sie für den Mord an ihren Eltern verantwortlich macht. Gerade hat die Nonne das Kloster verlassen. Ein englischer Produzent hat ihre sphärenhafte Stimme entdeckt und eine Konzertreise in Europa für sie organisiert. Auf rätselhafte Weise ist sie fasziniert von der Kommandantin, ihre Gräueltaten stoßen sie ab. Geschickt arrangiert die Autorin auf den fast 340 Seiten weitere Begegnungen der ungleichen Frauen. "Beide sind Wegbereiterinnen der Emanzipation im patriarchischen Nepal - die eine mit Gesang, die andere mit Waffen", sagt Julia Benkert.

Eine Fülle an gesellschaftlichen Themen ist in "Das Flüstern des Himmels" eingeflossen, trotzdem ist Benkerts Erstling leichte Lektüre. Verschiedene Elemente, die sich durch den Roman ziehen, sollen Spannung aufbauen. Leider ahnt der Leser die Enthüllungen vor den Figuren, wodurch diese naiv wirken. Obwohl sich die Autorin vier Jahre mit dem Stoff beschäftigte, bleibt ihr Blick der einer Außenstehenden. Doch sie schafft Aufmerksamkeit für Nepal, das in der Weltöffentlichkeit im Schatten Tibets steht. "Obwohl Nepal sich in einem delikaten Friedensprozess befindet", sagt Julia Benkert.

© SZ vom 05.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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