Literatur:Wenn die Mutter für den Sohne

Literatur: Franziska zu Reventlow liebte ihren Sohn Rolf über alles - und rettete ihn vor der Front.

Franziska zu Reventlow liebte ihren Sohn Rolf über alles - und rettete ihn vor der Front.

(Foto: Münchner Stadtbibliothek/Monacensia)

Ein aufregender Fund der Autorin Franziska zu Reventlow

Von Antje Weber

Franziska zu Reventlow stellt sich quer. "Nein", schreibt sie, "niemals habe ich diesen Patriotismus empfunden, den man uns in der Schule gelehrt hat." Auch die Kriegsbegeisterung, die fast alle zu Beginn des Ersten Weltkriegs ergriffen hat, liegt ihr fern. Und überhaupt, ihre Landsleute! "Nie sind sie so unerträglich, als wenn sie sich - wie seit diesem Krieg - als überzeugte Deutsche gebärden."

In ihrem Essay "Die Kehrseite des deutschen Wunders" nimmt Franziska zu Reventlow kein Blatt vor den Mund. Lange war dieser Text verschollen, bis ihn die Münchner Literaturwissenschaftler Kristina Kargl und Waldemar Fromm aufgrund eines Tipps im Nachlass von Henri-Pierre Roché fanden. Der war einer der vielen Geliebten von Reventlow, der berühmten Schwabinger Bohemienne und Schriftstellerin, und er hatte sie wohl um den Bericht gebeten, der unveröffentlicht blieb.

Von einem "sensationellen Fund" spricht der Volk-Verlag, und das erscheint nicht übertrieben: Die Aufzeichnungen, die kurz vor dem 100. Todestag der Gräfin am 26. Juli nun mit Ergänzungen ihres Sohnes Rolf und unbekannten Fotografien erscheinen, sind in vielerlei Hinsicht lesenswert. Sehr lebendig und pointiert geschrieben, ergänzen sie unter anderem das Bild, das man sich vom gänzlich verwandelten München im Krieg machen kann. Vor allem aber erzählen sie, wozu eine Mutter fähig ist, die ihren Sohn retten will.

Denn die Geschichte, die Reventlow schildert, ist abenteuerlich, ja lebensgefährlich: Sie beschließt 1917, ihren viel geliebten einzigen Sohn Rolf vom Einsatz an der Front zu befreien. Die Gräfin, die zu dieser Zeit in der Schweiz lebt, recherchiert ausgiebig am Bodensee - und beschließt schließlich, ihren Sohn von Konstanz aus per Boot über die Grenze zu schaffen. Fast droht der Plan zu scheitern. Nach vielem Hin und Her jedoch rudert Rolf eines Morgens einfach los und im einsetzenden Kugelhagel im Zickzack bis ans Ufer. Die Rettung ist geglückt, der junge Soldat desertiert. Triumphierend kann Reventlow schreiben: "Ich hatte dem Kaiser meinen Sohn weggenommen."

Franziska zu Reventlow und der Erste Weltkrieg, Buchpräsentation: Mi., 20. Juni, 19 Uhr, Monacensia, Maria-Theresia-Straße 23, Eintritt frei.

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