Literatur:Wege aus dem Verstummen

Norman Manea during an interview

Norman Manea wurde vor 80 Jahren in der Bukowina geboren und lebt seit 30 Jahren im Exil.

(Foto: Toni Garriga)

Vom rumänischen Schriftsteller Norman Manea liegt ein neuer Essay-Band vor. Der Autor liest daraus an diesem Mittwoch in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste

Von Eva-Elisabeth Fischer

Es gibt eine einfachere Lektüre als die Bücher des rumänischen Schriftstellers Norman Manea. Manche Leser kapitulieren bereits bei den Essays, obgleich die, verglichen mit seinen Erzählungen, geschweige denn dem Roman "Der schwarze Briefumschlag", leicht zu lesen sind. Manea versteht es zweifelsohne, schwierige Sachverhalte klar zu gliedern und ebenso darzustellen. Aber die Komplexität seiner stets mit der eigenen Biografie, mit den eigenen, weit ausgreifenden Reflexionen verknüpften politischen Einlassungen fordern auch sprachlich ihren Tribut.

Der Weg zur Klarheit verzweigt sich notgedrungen in vielerlei, allerdings stets zielführenden Exkursen. Hinzu kommt, dass Manea auch nach 30 Jahren komfortablen Exils in New York, wo er am Bard College einen Lehrstuhl für Europäische Studien und Kultur inne hat, nach wie vor auf Rumänisch schreibt. Das Gros seiner Leser also muss mit Übersetzungen vorlieb nehmen. Was ihn, den Autor, nach all den Jahren immer noch in existenzielle Nöte versetzt. Denn das Exil bedeutet für den Menschen an sich, der sich ja wesentlich über die Sprache definiert, und noch viel mehr für den Schriftsteller, allen hinzu gewonnenen Freiheiten zum Trotz, das zwangsweise Verstummen.

Die Zunge wird abgeschnitten. Die Übersetzung, zumal vom Rumänischen ins simple Englisch, schafft nicht nur dem Übersetzer Probleme, sondern auch dem Schreibenden, der sich angesichts der Hürden bald mit der Verführung zur Selbstbeschneidung konfrontiert sieht. Aber es lohnt sich, sie als Leser mit dem Autor zu nehmen, sich der bisweilen geradezu grotesken Leseanstrengung zu unterziehen, wie sie etwa die allegorische Verschlüsselung in seinen 2002 bei Hanser erschienen Essays "Über Clowns" fordert - vordergründig eine Phänomenologie kommunistischer Diktatoren, tatsächlich aber eine Untersuchung usurpatorischer Typologien schlechthin. Auch hier also wird einem, wie in allen Manea'schen Allegorien, eine Fülle von Einsichten und Erkenntnissen beschert.

Das Exil, die Sprache, die Problematik der Übersetzungen, all dies ist Thema von Norman Maneas jüngster auf Deutsch wie je bei Hanser erschienenen Publikation "Wir sind alle im Exil", einer Sammlung von Essays, die in den Jahren zwischen 1989 und 2015 allesamt bereits anderswo, etwa in Sinn und Form, publiziert worden sind. Der titelgebende Essay, der älteste, steht gleich am Anfang und rekapituliert den Lebenslauf eines Mannes, der geprägt ist von Drangsal und Verfolgung von seinen frühen Kindertagen an.

Manea, 1936 als Jude in der literarisch geprägten Bukowina geboren, wird als Fünfjähriger von den Nazis in ein Lager deportiert und findet sich als junger Mann unter den Opfern des real existierenden Sozialismus wieder. Und nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, nachdem er 1991 den in seinem Land hochverehrten Schriftsteller und Religionswissenschaftler Mircea Eliade als Kollaborateur mit den Faschisten und vehementen Antisemiten in einem Aufsatz entlarvt hatte, befeuerten Maneas Landsleute eine Hexenjagd gegen ihn im von Ceausescu befreiten Rumänien. Da war Manea bereits sicher in Amerika, allerdings in dem Bewusstsein, dass es keine Rückkehr mehr in die alte Nicht-Heimat geben würde.

"Wir sind alle im Exil", schreibt er und meint die heute zunehmende Entfremdung, um so fortzufahren. "Der Schriftsteller aber wurde schon immer als Exilbürger betrachtet unter all den übrigen Tätigkeiten und Vorhaben, die bloßer Notwendigkeit obliegen." Und denkt dann nach über die Bedeutung von Kunst, die sich einzig über das Individuum und niemals über das Gemeinwesen definiere, aber wiederum Rückschlüsse auf das Gemeinwesen zulasse. Maneas Zirkelschlüsse entzünden sich immer wieder an Emil M. Cioran, an Franz Kafka. Was laut Paul Celan für Kafka gilt, der auf Deutsch schrieb, gilt, abgewandelt, auch für Manea: Die Sprache ist die Heimat des Dichters, auch dann, wenn diese Sprache die rumänische ist und der Dichter ein Jude.

Lesung von Norman Manea mit Michael Krüger und Peter Hamm, Mi., 13. April, 19 Uhr, Bayerische Akademie der Schönen Künste

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