Krimifestival:Wo Bayern besonders kriminell ist

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SZ-Karte (Foto: h)

Beim Krimifestival München geht's um mörderische Orte, schrullige Ermittler - und ihre Erfinder.

Von Sabine Reithmaier

Es gibt inzwischen kaum noch einen Winkel Deutschlands, in dem noch nicht unentwegt gemordet und anschließend aufgeklärt wird. Alles natürlich nur fiktiv. Die Begeisterung für einheimische Kommissare, die im vertrauten Umfeld ermitteln, wächst anscheinend unverdrossen weiter. Wie sonst ließen sich die ungezählten Regionalkrimis erklären, die alljährlich veröffentlicht werden? Schon aufgrund der großen Zahl ist der Versuch, jene bayerischen Orte zu ermitteln, in denen die meisten Polizisten und andere Ermittler unterwegs sind, ein ziemlich heikles und ganz und gar subjektives Unterfangen.

Eigentlich sollte in die Untersuchung auch Franken einbezogen werden. Doch das Gesamtverzeichnis der Frankenkrimis, das die Stadtbibliothek Erlangen fein geordnet ins Netz gestellt hat, bremste den Impuls jäh. Ein Wahnsinn, wie viele Kommissare in Nürnberg, Erlangen, Fürth, Bamberg und Würzburg Verbrechern auf der Spur sind. Zum Glück liest keiner ihrer Erfinder auf dem Münchner Krimifestival, das an diesem Sonntag beginnt. Dieser Umstand hat die Entscheidung enorm erleichtert, die Beschäftigung mit fränkischen Ermittlern einstweilen zu vertagen; genauso wie jene mit denjenigen der ober- oder niederbayerischen Autoren, die auf dem Festival ebenfalls nicht vertreten sind.

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Eine Gemeinsamkeit freilich besitzen alle Krimis, egal, wo sie spielen: Die Ermittlungen finden immer einen Abschluss, die Fälle werden geklärt. Doch sonst sind die Unterschiede groß, auch wenn Landschaft, Wetter und Mentalität wichtige Ingredienzien sind, um die jeweiligen Geschichten authentisch zu gestalten. Trotzdem ist es irgendwie verblüffend, dass im idyllischen Garmisch-Partenkirchen die kriminelle Energie besonders stark entwickelt zu sein scheint.

Gleich drei Autoren lassen ihre Fälle im Schatten der Zugspitze spielen. Der dienstälteste Kommissar ist Hubertus Jennerwein, den sein Autor Jörg Maurer demnächst - der neue Krimi erscheint Ende April - schon seinen achten Fall lösen lässt; ein sensibler Mann. Ganz im Gegensatz zum Lokalreporter Karl-Heinz "Gonzo" Hartinger, den Marc Ritter durch die Gegend schlurfen lässt, oder die bodenständige, pragmatische Irmi Mangold, die Nicola Förg auf einem Bauernhof angesiedelt hat. Letztere ermittelt mit Kollegin Kathi Reindl auch meistens nicht im Kurort, sondern in den Dörfern der Umgebung. Ihre Autorin zwingt sie, sich unentwegt mit Tierschutz und Umweltproblemen auseinanderzusetzen. Da hat es der Schongauer Henker Jakob Kuisl leichter, den Oliver Pötsch in seinem jüngsten historischen Krimi gleich in der Nachbarschaft, in Oberammergau aufklären lässt.

Keiner der Autoren zeichnet die Werdenfelser übrigens als weltoffene Menschen, sondern eher als engstirnig und stur, sie dachten möglicherweise an die Anti-Olympia-Entscheidung. Denn auch die Berge spielen eine wichtige Rolle, weil sie sich sowohl zum Morden als auch zum Verstecken gut eignen, egal ob es sich um Zugspitze, Wank oder Kramerspitz handelt.

Letzteres gilt auch für die Gegend um den Tegernsee. Andreas Föhrs ewig frierender Kommissar Clemens Wallner ärgert sich dort mit seinem Kollegen Leonhardt Kreuthner herum, der allzu leicht vom legalen Weg abkommt. Aber auf dem Wallberg kennt er sich super aus. Und am See natürlich auch. Die atmosphärisch stimmigen Landschaftsschilderungen machen sicher einen Reiz der Krimis aus, und es ist nachvollziehbar, dass die Romane deshalb gern von Menschen gelesen werden, die auf diese Weise hoffen, etwas über ihren Urlaubsort zu erfahren.

In München ermitteln weniger die Polizisten

Die Münchner Ermittler tun sich da natürlich vergleichsweise hart. Zwar kennt man die meisten Straßen, weiß um überfüllte Isarstrände oder das Gedränge auf dem Oktoberfest. Aber braucht man das zur Entspannung? Manche Autoren vertrauen daher weniger auf Polizeikräfte, sondern suchen sich ihre Ermittler in anderen Berufsgruppen. Bettina Plecher lässt lieber einen Toxikologen und seine junge Assistentin ermitteln, während Felicitas Gruber alias das Autorinnenduo Brigitte Riebe und Gesine Hirsch die Rechtsmedizinerin Dr. Sofie Rosenhut ins Rennen schickt.

Su Turhans Kommissar Zeki Demirbilek, auch Kommissar Pascha genannt, stellt wegen seiner türkischen Herkunft sowieso eine Besonderheit dar. Keine Ahnung übrigens, ob Harry Kämmerer seinen Chefinspektor Mader mitsamt Dackel Bajazzo wieder aufgegeben hat. In seinem jüngsten Krimi präsentiert er jedenfalls eine Neue: Andrea Mangfall arbeitet bei der Münchner Kripo und quält sich ansonsten mit ihrem nicht unkomplizierten Single-Dasein herum.

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Kämmerer recherchiert seine Örtlichkeiten ziemlich akribisch, auch wenn sie - wie im Vorgängerroman - in Niederbayern spielen. Das gilt auch für Friedrich Ani, der selbstverständlich keine gewöhnlichen Regionalkrimis schreibt. Zum einen, weil ihm die Innenwelt seiner Figuren wichtiger ist als die Außenwelt, zum anderen weil ihn sein subtiles Sprachgefühl zum Grenzgänger unter den Krimiautoren macht. Trotzdem spielen seine Romane auch in München. Tabor Süden, den er schon 1998 erfunden hat, wohnt in Giesing und war zunächst Kommissar der Vermisstenabteilung. Irgendwann hatte Ani genug von seinem tiefsinnigen Kommissar. Doch nach einer Schreibpause - Süden wurde als Kellner nach Köln verbannt - durfte er 2011 als Privatdetektiv wieder nach München zurückkehren. Im neuesten, dem 20. Fall sucht er nach einem verschwundenen Gemüsehändler. Ani hat inzwischen sogar noch einen zweiten Münchner Ermittler kreiert: Kriminalhauptkommissar Jakob Franck, der seit kurzem in Ruhestand ist und seine Fälle löst, in dem er sich in vermurkste Lebensläufe und alltägliches Unglück einfühlt.

Einfühlsamkeit ist weder vom tollpatschigen Allgäuer Kommissar Kluftinger, der Kopfgeburt des Autorenduos Klüpfl und Kobr, zu erwarten, noch von Franz Eberhofer, dem eher bequemen, etwas grob geschnitzten Kommissar Rita Falks. Letzterer löst seine Fälle zwar auch, aber doch eher zufällig, weniger analytisch. Im Gegensatz zu den anderen Krimis agiert er in einem fiktiven Ort. Niederkaltenkirchen gibt es nicht, auch wenn sich seine Bewohner mit ihren bauernschlauen Tiefsinnigkeiten kaum von denen in realen niederbayerischen Dörfern unterscheiden.

Krimifestival München , 13. März bis 26. April, an verschiedenen Orten, Infos unter www.krimifestival-muenchen.de

© SZ vom 12.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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