Literatur:"So a hübsches Katzerl"

Bei der Vergabe der dritten Bayerischen Buchpreise gibt es manch spitze Töne zu hören - einig sind sich alle jedoch in der Bewunderung für Ehrenpreisträgerin Ruth Klüger

Von Antje Weber

Klein, schmal, glücklich stand sie auf der Bühne und konnte sich sogar sofort mit der porzellanenen Löwen-Trophäe in ihrer Hand anfreunden: "So a hübsches Katzerl!" Gleich zwei Mal durfte Ruth Klüger an diesem Abend Standing Ovations entgegennehmen; auch das Publikum freute sich sicht- und hörbar mit dieser ersten Ehrenpreisträgerin des Bayerischen Buchpreises, die leibhaftig bei der Verleihung in der Allerheiligen-Hofkirche erschienen war.

Dass sich Ministerpräsident Horst Seehofer, der diesen Preis ja offiziell vergibt, wie in den Vorjahren von Staatsministerin Ilse Aigner vertreten ließ, sorgte an diesem dritten Buchpreis-Abend zwar für spitze Bemerkungen; überhaupt war der Ton diesmal insbesondere bei der öffentlichen Jurysitzung bisweilen recht rau, was den Unterhaltungswert natürlich nicht schmälerte. Emotionaler Höhepunkt war jedoch eindeutig die Verleihung des Ehrenpreises an die 85-jährige Ruth Klüger für ihr schriftstellerisches Lebenswerk.

Leseprobe

Einen Auszug aus dem neuen Buch von Ruth Klüger stellt der Verlag hier zur Verfügung.

In ihrer Laudatio auf Klüger erinnerte Aigner insbesondere an das Jahr 1944: ein lebensentscheidendes Jahr für Klüger, die im Konzentrationslager Auschwitz nur überlebte, weil sie ihr Alter falsch angab; in München wurde in diesem Jahr durch eine Bombe die Allerheiligen-Hofkirche zerstört. Heute sei die ehemalige Kirche zum Ort des Gedenkens geworden, sagte Aigner und schlug damit den Bogen zur "Lebensaufgabe" Klügers, die als Künstlerin und Literaturwissenschaftlerin "ihre ganze Kraft" dem Erinnern gewidmet habe. In ihrer schlicht ergreifenden Dankesrede machte Klüger klar, was diese Ehrung für ein Lebenswerk für sie bedeutet: "Wer alt geworden ist, hat gelegentlich Angst, man könne schon bei Lebzeiten vergessen werden", sagte sie, noch ärger jedoch sei "der Verdacht, dass die abgehakten Lebensteile unzusammenhängend im luftleeren Raum schweben". Der Preis nun mache ihr deutlich: "Ja, es hält und hängt zusammen, und es hat sich gelohnt."

Ob das vergleichbar auch die drei Juroren sagen werden, die zum dritten und letzten Mal gemeinsam öffentlich über sechs Bücher diskutierten, von denen nach Ablauf der Sanduhr zwei als Sieger feststehen sollten? Unter dem diesjährigen Juryvorsitz Franziska Augsteins wurden die Argumentationsgräben zwischen ihr und der links sitzenden Mitjurorin Carolin Emcke mit geschärften Spaten noch einmal vertieft; Denis Scheck zur Rechten versuchte darüber, sozusagen mit leichter Hand Erde werfend, pointiert hinwegzuparlieren. Im nächsten Jahr wird die Jury ganz neu besetzt werden, was beim anschließenden Empfang im Kaisersaal bereits heftiges Rätselraten auslöste; die bisherigen Mitglieder werden vom Publikum, soviel wurde da auch klar, in sehr unterschiedlichem Maße vermisst werden.

Literatur: Die Preisträger des Bayerischen Buchpreises: Heinrich Steinfest mit dem Belletristik-Löwen, Ehrenpreisträgerin Ruth Klüger (Mitte) und Sachbuch-Siegerin Andrea Wulf.

Die Preisträger des Bayerischen Buchpreises: Heinrich Steinfest mit dem Belletristik-Löwen, Ehrenpreisträgerin Ruth Klüger (Mitte) und Sachbuch-Siegerin Andrea Wulf.

(Foto: Yves Krier)

Einig im Lob schien sich die Jury noch beim ersten Sachbuch "Der Gallische Krieg" von Markus Schauer zu sein. Bettina Stangneths "Böses Denken" jedoch war für Augsteins Geschmack zu sehr "für Normalbürger geschrieben" - Emcke sah gerade darin die Stärke des Werks. Auch Scheck tat sich jedoch bei allem Lob schwer darin, das "Koordinatennetz des Textes" zu finden. Auch an Andrea Wulfs Erkundung des Humboldt'schen Kosmos hatte wiederum Augstein mancherlei auszusetzen; sie schwenkte bei der schwierigen Entscheidungsfindung am Ende jedoch auf just dieses Buch um: Sachbuch-Siegerin wurde also die deutsch-britische Historikerin Wulf mit "Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur".

In der Belletristik zeigten sich zwar alle Juroren beeindruckt von Christian Krachts "Die Toten" und Terézia Moras Erzählungen "Die Liebe unter Aliens", Augstein haderte bei beiden Büchern jedoch ein wenig mit der Sprache: Im ersten Fall war sie ihr zu artistisch dominierend, im zweiten zu "normal". Heinrich Steinfests Roman "Das Leben und Sterben der Flugzeuge", den sie auf eine Stufe mit Cervantes' "Don Quijote" stellte, erwies sich als größter gemeinsamer Nenner der Jury. Dass der Schriftsteller im Gegensatz zu den Konkurrenten in jüngster Zeit noch keinen Preis erhalten hat, erleichterte Scheck das Umschwenken.

Für Steinfest, nach Auskunft in der Dankesrede ein "extrem abergläubischer Mensch", war dies der Beweis, dass all sein Bemühen sich ebenfalls gelohnt hat. Nicht nur die Arbeit, die er in diesen Roman gesteckt hat, sondern auch der Vorsatz, bis zur Preisverleihung fünf Kilo abzunehmen, um das Schicksal milde zu stimmen. Auch wenn Steinfest nur die Hälfte herunterhungerte: Es reichte. Gnädig zeigte sich der Autor daher in Bezug auf die harsche Widmung seines Buches. Dort steht doch tatsächlich: "für alle außer Horst". An diesem Abend sah Steinfest das in neuem Lichte: "Dieser Preis heute ist auch für Horst!" So durften alle zufrieden sein.

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