Literatur:Monströs

Karl-Heinz Hummels Buch über "Bayrische Seeungeheuer"

Von Oliver Hochkeppel

Zum Einstieg kokettiert der Autor mit seiner Angst vor dem leeren Blatt Papier angesichts des vom Verleger vorgeschlagenen Projekts "Bayrische Seeungeheuer". Wassermonster, da dächte man eher an die Weltmeere und das Seemannsgarn der Matrosen. Doch dann begibt sich der "Schreiberling" zur Inspiration auf eine Radtour von Giesing gen Süden, dem Wasser entgegen. Und stößt am Tegernsee nicht nur auf die alte Sage vom "Rockadirl" - einem in Zeiten der Hexenverbrennungen ungesund unabhängigen Mädchen, das in den See floh und seitdem dort auf Erlösung wartet - , sondern gleich auf das Märchenwesen höchstselbst. Das Rockadirl wird nun seine Muse, die ihm diverse Geschichten eingibt.

Wie die Sage vom Riesenwaller im Walchensee, der den ganzen Grund bedeckt und bis heute besänftigt werden muss, damit er nicht einzelne verschlingt oder gar die ganze Region bis nach München hin verwüstet. Ist doch der Walchensee noch tiefer als man munkelt - eine Verbindung bis vor die Küste von Lissabon gibt es wohl, sodass beim großen dortigen Erdbeben von 1755 auch der See gebraust und gekocht habe. Oder die Mär vom furchtbaren Drachen im Staffelsee, der nicht von Rittern, sondern von der List der "kropferten Jungfrau" Kreszens besiegt wurde. Nicht nur Ungetüme finden sich in den Erzählungen, auch Liebesgeschichten; unglückliche wie eine für alle tödliche Ménage-á-trois am Soinsee oder glückliche wie die der seligen Irmengard vom Chiemsee.

Das Ganze liest sich prächtig, weil der Autor Karl-Heinz Hummel heißt. Dieser hat sich seit vielen Jahren als - überdies auch musizierender - Autor für Funk, Fernsehen und Kabarett (unter anderem für Kabarest und Simone Solga) bis hin zum Librettisten der bairischen Oper vom Brandner Kaspar als Spezialist für fesselnde Bavarica hervorgetan. Die "Bayrischen Seeungeheuer" sind nach "Bayrische & Tiroler Rauhnachtsagen" sein zweites von vier geplanten Sagen-Büchern im jungen Münchner Verlag Lago Imago. Trotz Taschenbuch-Formats ist es aufwendig gestaltet und von Bernd Wiedemann fein illustriert. Vor allem aber lebt es von der typischen Hummel-Mischung aus Ge- und Erfundenem, aus Tradition und Moderne, aus feinem Humor und ernster Grundierung. Zweimal stellt Hummel sein Buch in "wassernahen" Lesungen mit Harfenklängen von Barbara Eckmüller vor.

Bayrische Seeungeheuer - Karl-Heinz Hummel erzählt Wassersagen, Lago Imago; Lesungen: Fr., 25. Aug., Apothekergarten Bad Birnbach, So., 27. Aug., Bootshaus am Deininger Weiher

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