Literatur:Liebe in Rimini

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Sonja Heiss ist in München aufgewachsen und lebt in Berlin. (Foto: Till Janz)

Sonja Heiss stellt ihr Romandebüt vor

Von Josef Grübl, München

Das größte Rätsel von allen ist die Liebe. Zumindest wenn es sich beim Objekt der romantischen Begierde um einen untreuen Spanier handelt, dessen größter Vorzug sein hübscher Penis ist. Man kann sich aber auch vorzüglich in die wohltemperierte Stimme einer Psychoanalytikerin verlieben. Oder in einen blauen Wellensittich namens Bizzi. Am allergrößten aber ist die Liebesmüh' beim italienischen Hotelangestellten mit den stechend blauen Augen, zumindest in Barbaras Erinnerung: Damals in Rimini hatte er ihr ein Mineralwasser spendiert und sie mit in seine Resopalhöhle genommen, wo sie Sex hatten und außer "Buongiorno" und "Grazie" nicht viel sagten.

In Sonja Heiss' Roman "Rimini" träumt Barbara vierzig Jahre später noch davon; ihre Lebensgeschichte ist so lustig, traurig und verfahren wie nur Geschichten sein können, in denen zwar alle reden, aber ständig aneinander vorbei. Damit kennt sich Heiss aus, in ihren Kinofilmen "Hotel Very Welcome" und "Hedi Schneider steckt fest" oder dem Kurzgeschichtenband "Das Glück geht aus" wimmelt es von Figuren, die auf Sinnsuche sind, wildfremden Menschen hinterherlaufen oder denen die Liebe im Alltag verloren gegangen ist. Die 1976 geborene Regisseurin hat an der HFF München Dokumentarfilm studiert, aber nie als Dokumentarfilmerin gearbeitet. "Es macht Spaß, mir Dinge auszudenken", sagte sie 2015 bei einem Treffen auf der Berlinale. Zu der Zeit arbeitete sie schon an "Rimini", das ihr Romandebüt werden sollte und den Arbeitstitel "Liebesunterbrechung" trug, und das sie nun bei zwei Lesungen in München vorstellt.

Man sieht dem vor einigen Wochen erschienenen Buch an, dass es von einer Filmemacherin stammt: Nicht nur der aus verschiedenen Perspektiven erzählten, aktions- und dialogreichen Handlung wegen, sondern auch aufgrund der vielen visuellen Einfälle, mit denen Sonja Heiss ihre Geschichte vorantreibt. In deren Mittelpunkt steht eine Familie, bestehend aus Mutter Barbara, Vater Alexander sowie den zwei erwachsenen Kindern samt Anhang, sie alle haben Alltagsprobleme und recht unterschiedliche Vorstellungen von der Liebe. Alexander etwa will nach seiner Pensionierung alles mit Barbara teilen, er läuft ihr bis aufs Klo nach, füttert sie auf Ausflügen mit matschigen Bananen und wirkt in seiner gutmütigen Hilflosigkeit wie ein geistiger Bruder von Loriots "Pappa ante Portas". Gleichzeitig ist er aber auch ein typischer Heiss-Held: Schon früher erzählte sie von so weltfremden wie sparsamen Vätern, die die gute Jacke so lange schonen, bis sie sie nicht mehr brauchen. Oder von Frauen, die längst keine Kinder mehr sind, sich aber wie solche verhalten und Mutter werden wollen.

Sonja Heiss ist am Bonner Platz in Schwabing aufgewachsen, lebt aber seit Jahren in Berlin. Ihre Arbeiten seien nicht autobiografisch, betonte sie: "Aber natürlich ist in allem, was ich mache, etwas Persönliches drin." Man würde ihre Romanfiguren gerne auf der Leinwand sehen, vielleicht verfilme sie das Buch ja irgendwann, deutete ihre Schöpferin an.

Sonja Heiss: Rimini, Lesungen, Di., 7. Nov., 19.30 Uhr, Literatur Moths, Rumfordstr. 48; Mi., 8.Nov., 20 Uhr, Literaturhaus, Salvatorplatz

© SZ vom 06.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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