Literatur:"Ich schreibe ja nicht, um alte Rechnungen zu begleichen"

Literatur: Seit seinem Debüt "Alles ist erleuchtet" aus dem Jahr 2002 erwartet man vom Schrifsteller Jonathan Safran Foer ungewöhnliche Geschichten und Einsichten.

Seit seinem Debüt "Alles ist erleuchtet" aus dem Jahr 2002 erwartet man vom Schrifsteller Jonathan Safran Foer ungewöhnliche Geschichten und Einsichten.

(Foto: Catherina Hess)

Woran zerbrechen Ehen? Der Autor Jonathan Safran Foer hat einen Roman darüber geschrieben. Mit seiner eigenen Scheidung habe das Buch aber nichts zu tun, stellt er beim Treffen in München klar.

Von Christian Mayer

Jonathan Safran Foer ist kürzlich 40 geworden und doch ist er schon sehr lange im Geschäft. Mit Mitte zwanzig galt er als literarisches Wunderkind, als einer, der mangelnde Lebenserfahrung mit unglaublicher Einfühlungsgabe und Intelligenz ausgleichen konnte. Seit seinem Debüt "Alles ist erleuchtet" aus dem Jahr 2002 erwartet man von diesem Schriftsteller immer ungewöhnliche Geschichten, Perspektiven, Einsichten.

Auf seinen aktuellen Roman "Hier bin ich", der vergangenen Herbst erschien, mussten seine Fans zehn Jahre lang warten, und viele sind der Meinung: Es hat sich gelohnt. Foer hat eine fulminantes Geschichte über das Zerbrechen einer Ehe geschrieben, und über eine jüdische Großfamilie in Washington D.C., in der ständig alle quasseln müssen - frei nach Gottfried Benn: "Kommt, reden wir zusammen / wer redet ist nicht tot".

"Wenn Kinder älter werden, verkleinert sich ihr emotionales Spektrum"

Im Interview mit der SZ in München redet Foer vor allem über Kinder. Über seine eigenen Söhne, elf und acht, die er mit seiner geschiedenen Frau, der Schriftstellerin Nicole Krauss hat; die beiden teilen sich das Sorgerecht. Und über die drei Söhne aus seinem Roman "Hier bin ich": Söhne, die alles immer besser wissen als ihre Eltern und es mit ihrem tollpatschigen Vater, einem Drehbuchautor, spielend aufnehmen.

Der Schriftsteller Jonathan Safran Foer glaubt zwar nicht an die höhere Weisheit der Kinder, aber an ihr intuitives Wissen. "Wenn Kinder älter werden, verkleinert sich ihr emotionales Spektrum automatisch, sie lassen dann Gefühle nicht mehr so zu. Deshalb ist der Hundevergleich ziemlich gut: Hunde sind in der Lage, sehr feine und entfernte Geräusche zu hören, auch höhere und tiefere Töne, die das menschliche Ohr gar nicht wahrnimmt. Kinder sind in der Lage, Emotionen wahrzunehmen, für die wir Erwachsene keine Sensoren mehr haben."

Dieses Verkümmern der Sensoren ist ein wesentlicher Grund, warum viele Ehen scheitern, glaubt Foer. In seinem Roman führt er das auf erschreckend realistische Weise vor: die wachsende Entfremdung zwischen Jacob und Julia, die Unfähigkeit, sich in den Arm zu nehmen, die Lustlosigkeit im Bett, die Sprachlosigkeit in der Beziehung. Man kann ja reden, ohne sich etwas zu sagen. Oft scheitern Beziehungen auch deshalb, sagt Foer, weil sich die Paare auf fast schon obsessive Weise auf ihre Kinder fokussierten - und den Partner kaum mehr wahrnähmen.

Und dennoch: Die Möglichkeit der Liebe ist da, zumindest im Roman. Mit seiner eigenen gescheiterten Ehe habe das Buch übrigens gar nichts zu tun, sagt der Autor: "Ich schreibe ja nicht, um alte Rechnungen zu begleichen oder mit etwas abzurechnen." Sogar sein Vater sei sehr nervös gewesen vor der Buchveröffentlichung, erzählt Foer. "Als er das Buch dann las, war er beruhigt".

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