Literatur:Anziehend abgründig

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Vom Rock'n'Roll umweht: Franz Doblers neuer Roman "Ein Schlag ins Gesicht" dringt ein ins Münchner Bahnhofsmilieu

Von Christian Jooß-Bernau, München

Im Grunde sei es einfach so, als würde man umblättern und das nächste Kapitel beginnen, sagt er. Anfang 2015 erschien Franz Doblers "Ein Bulle im Zug". Ein Kriminalroman, dessen Sound sich so vom Gewohnten unterschied, dass er mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet wurde. Der Nachfolger heißt "Ein Schlag ins Gesicht", und Dobler holt seinen Kommissar Robert Fallner fast dort ab, wo er ihn verlassen hat. Der Fallner ist genau genommen ein Ex-Kommissar, arbeitet jetzt für die Sicherheitsfirma seines Bruders und bekommt gleich einmal eine Schauspielerin mit Erotikfilmvergangenheit zugeteilt, der ein Stalker nachstellt.

Der Roman hält, was das Cover mit Frau im Fadenkreuz verspricht: eine anziehend abgründige Dame, Film noir, hard-boiled fiction, Sex und einen Detektiv, der genügend eigene Probleme hätte. Der Autor Dobler passt selber auch wunderbar in dieses Bild, als einer, den der Sound von Country und Rock 'n' Roll umweht. So könnte wohl Fallner auch aussehen. In seiner Heimatstadt Schongau war Dobler ganz früher mal Polizeireporter gewesen. Das macht sich nett in seiner Biografie. Er hat viel und gut und wild über Musik geschrieben, hat bei Trikont Kompilationen herausgegeben, ist Autor einer verdienstvollen Johnny-Cash-Biografie, etlicher Kurzgeschichten und ähnlicher Druckwerke. Und es gibt eine schöne CD, auf der er Gedichte von Jörg Fauser liest. Dobler-Fauser, das verträgt sich gut: "Ich habe das sehr verinnerlicht. Ich konnte das im Grunde lesen wie die eigenen Sachen von mir," sagt Dobler über die CD-Aufnahme von damals. Und was sich so niedergeschrieben vielleicht etwas angeberisch anhört, ist es gesprochen gar nicht. Denn Doblers Stimme zeigt am Telefon nicht ihre Muskeln. Sie ist nett, zurückhaltend. Fast schüchtern.

1979 kam er nach München. Damals gab es noch das Aki-Kino im Hauptbahnhof. In seinem Roman erinnert sich die Schauspielerin daran, als sie mit Faller durch die Bahnhofshalle geht. Dobler ist Spaziergänger, gerne auch in der Gegend um den Münchner Bahnhof. Er ist angezogen von diesem Transitraum, in dem die Menschen eigentlich nie anwesend sind, weil sie fast schon weg sind. Im ersten Fallner-Roman setzt sich der Bulle in den Zug und fährt los. Der Nachfolger funktioniert gegenteilig, auf sehr begrenztem Raum, meist um den Bahnhof herum. Dobler fasziniert das Soziotop, das sich hier angesiedelt hat.

Normalerweise setzt sich Dobler vormittags um zehn Uhr an seinen Schreibtisch in Augsburg. Er ist ein Überarbeiter. Gefeilt wird an Kleinigkeiten. Dobler hat Rhythmusgefühl. Seine Dialoge haben Drive. Und in regelmäßigen Abständen schreibt er Kapitel, nicht länger als ein Popsong. Schon im ersten Fallner-Krimi hat er das entwickelt. Er hat sich ein literarisches Verfahren geschaffen. Ein Spiel mit Texten, die man nicht genau zuordnen kann: Gehörtes, Erlebtes, innerer Monolog? Es ist nicht vorrangig die Handlung, die ihn treibt. Es ist die Atmosphäre, der Stil. Nach der letzten Romanseite wartet eine Überraschung: eine Bibliografie. "Sehr exzentrisch", entschuldigt sich Dobler vorsichtig, aber die Liste sei schon absolut ernsthaft. In Richtung eines intertextuellen Spiels steuert sein Roman trotz Bibliografie nicht, aber sie verweist auf die Welt aus Text, Musik und Film, die den Autor formt.

Fauser findet sich hier, Wolf Wondratschek und Oswald Wieners Manifest/Experiment "Die Verbesserung von Mitteleuropa". Woody Allens "Bullets over Broadway" und May Spils' "Zur Sache, Schätzchen", Blondie und Amanda Lear. Hier spiegelt sich auch der Schritt vom Amerikanischen ins Heimische. Die US-Literatur brachte mit den Beatniks der Fünfzigerjahre den Sound auf die Straße. Als er etwa 20 war, liebte Dobler Herbert Achternbusch, Charles Bukowski und Mickey Spillane. "Das ist schon eine Entfernung, mit der man klarkommen muss," sagt er. Dobler trat Mitte der Achtziger an, als die deutschen Vorreiter eines neuen Stils wie Fauser und Rolf Dieter Brinkmann schon abgemeldet waren. Mit Lorenz Schröter und Thomas Palzer veranstaltete er das Literaturfestival Sage & Schreibe. Bekannte Autoren neben unbekannten. Das Ganze in einer Bar, wo sich die Literatur gegen die Theke durchsetzen musste. Mit dem Spielcharakter eines Slams hatte das nichts zu tun, eher mit dem, was vielleicht Doblers Zentralgedanke über das Schreiben ist: "Die Vorstellung, dass es auch Arbeit und Handwerk ist, fand ich schon immer ganz angenehm."

Franz Dobler: Ein Schlag ins Gesicht (Tropen); Autorengespräch, Freitag, 18. November, 18 Uhr, Foyer im Gasteig; Lesung, 19 Uhr, Black Box

© SZ vom 18.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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