Der literarische Marktplatz:Neuer Jugendliteraturpreis

Der Sonderpreis "Junge Talente" hat es sich zur Aufgabe gemacht, Nachwuchsautoren eine Starthilfe zu geben. Voraussetzung, sie sind Deutsche. Eine schwierige Entscheidung.

Von Roswitha Budeus-Budde

Der deutsche Jugendliteraturpreis ist in Bewegung. Bei der diesjährigen Vorstellung der Nominierungsliste auf der Leipziger Buchmesse wurden die Kandidaten für den neu geschaffenen Sonderpreis "Junge Talente" benannt, ein Geburtstagsgeschenk zum 6o. Jubiläum, gestiftet vom Ministerium Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Ein Preis, der "gezielt die Werke von Nachwuchskünstlern in den Blick nehmen", und wie der Sonderpreis für das Gesamtwerk, in jährlichem Wechsel an Autoren, Übersetzer und Illustratoren vergeben wird.

Die Förderung von Nachwuchsautoren mit 12 000 Euro als Starthilfe - um sich auf einem übervollen Literaturmarkt mit jährlich 9000 Novitäten durchzusetzen - ist wichtig. Nur stellt sich, wenn man die Pressemeldung des Arbeitskreises für Jugendliteratur genau liest, die Frage, ob es sich bei diesem Preis nicht eher um ein Danaergeschenk handelt, denn es wird erklärt: "Beide Sonderpreise verstehen sich als Personenpreise und fokussieren ausschließlich auf nationale Künstler." Damit wird die Diskussion um die Stellung deutscher Autoren bei diesem Preis neu befeuert, die ihn seit den Anfängen 1956 begleiten. Und gleichzeitig wird ein fatales politisches Signal gesetzt, in einer Zeit, in der nationalistisches Denken wieder hoffähig geworden ist.

Sybil Gräfin Schönfeldt, die die Anfänge der Jugendliteratur in Deutschland miterlebte und lange Zeit Mitglied in der Jury des Jugendliteraturpreises war, erinnert sich an die Aufbruchzeiten in den 50er-Jahren, an die Suche der Verlage nach Autoren, die sie in Deutschland nicht fanden, denn sie waren während der NS-Zeit verstummt oder emigriert. Also musste man im Ausland fündig werden, der literarische Markt öffnete sich, die typisch englische fantastische Literatur, die sozialkritischen nordischen Jugendbücher, sie alle beeinflussten zunehmend die deutschen Autoren und veränderten die deutsche Jugendliteratur.

Erleben wir jetzt Grenzziehungen in der Kultur?

Auch im Jugendliteraturpreis spiegelte sich diese Internationalität, und dagegen regte sich zunehmend der Widerstand deutscher Autoren. Immer wieder forderten sie, dass dieser einzige staatliche Preis ausschließlich an deutsche Autoren vergeben werden sollte. Auch dass 1991 ein Sonderpreis für das Lebenswerk eines deutschen Autors, Illustrators oder Übersetzers eingerichtet wurde, ließ die Kritiker nicht verstummen. Ist der neue Preis für junge "nationale" Talente womöglich als Beruhigung vom Ministerium gedacht? 2014 hatten 500 Autoren wieder einmal in einer sehr publikumswirksamen Aktion postuliert, deutschsprachige Originalwerke auszuzeichnen (wie bei den Staatspreisen in Österreich und Schweiz) und Übersetzungen in eigenen Sparten zu prämieren. Dass Multikulturalität sich inzwischen vor der eigenen Haustür abspiele, dass darum Kinder die Titel von Autoren fremder Kulturen nicht mehr brauchten, war eine der absurden Behauptungen, oder: Für die Leseförderung sei "der Fokus auf deutsche Originalwerke erforderlich, da der Text nur in seiner Muttersprache die ursprüngliche literarische Dichte und Authentizität habe".

Doch diese Forderungen stehen weiter im Raum, denn auch mit dem neuen Preis sind manche Autoren nicht zufrieden. "Wer Leseförderung im Sinn hat, sollte den Blick auf die Werke deutschsprachiger Kinderbuchschaffender schärfen", meint der Übersetzer und Autor Salah Naoura 2016 und plädiert weiter für eine Trennung jeweils in eigene Sparten. Erleben wir jetzt Grenzziehungen in der Kultur, während die aktuelle Kinder- und Jugendliteratur so engagiert liberale Ziele verteidigt wie seit den 70er-Jahren nicht mehr?

Wer das erste nationale Talent sein wird, entscheidet die Jury im Herbst. Sybil Gräfin Schönfeldt sieht eher die Gefahr darin, dass dieser Preis mit der eingeschränkten Auswahl auf junge Talente das Niveau senkt. "Literarische Qualität hat weder mit Alter noch mit Jugend zu tun."

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