Liquidation:Ende einer Weltreise

Liquidation: "Wir haben es genossen", da sind sich die A1-Verleger Herbert Woyke, Inge Holzheimer und Albert Völkmann (v. li.) einig. Doch nun ist bald Schluss.

"Wir haben es genossen", da sind sich die A1-Verleger Herbert Woyke, Inge Holzheimer und Albert Völkmann (v. li.) einig. Doch nun ist bald Schluss.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Der kleine, feine Münchner A1 Verlag hört auf - den Veränderungen in der Buchbranche fühlen sich die drei Gründer nicht mehr gewachsen

Von Antje Weber

Aller Anfang ist schwer. Jedes Ende auch. Inge Holzheimer, Albert Völkmann und Herbert Woyke sitzen am Tisch der fast leeren Küche des schönen alten Hauses in Nymphenburg, in dem ihr A1 Verlag beheimatet ist. An diesem Tisch und in den Nebenräumen haben sie mit Autoren gesprochen, Projekte entworfen, gefeiert. Vorbei. Das Meiste ist ausgeräumt, weg sind die Bücher, weg ist der zum Arbeiten umfunktionierte Billardtisch.

Der A1 Verlag löst sich langsam auf. Die drei Verleger wirken bei aller Trauer darüber doch gefasst. "Wir waren seit zwei Jahren am Überlegen", sagt Völkmann, bis man schweren Herzens eine Entscheidung traf. Seit Februar ist der Verlag nun in der Phase der sogenannten "Liquidation", die bei einer GmbH mindestens ein Jahr dauert. Die bisher erschienenen Bücher sind somit alle noch lieferbar - nur neue Bücher gibt es leider keine mehr. Allmählich sickert die traurige Nachricht in der Branche durch, fragen Buchhändler nach: Warum die Herbst-Vorschau noch nicht gekommen ist? Weil es eben keine gibt.

Schrittweise schließt damit ein sehr kleiner, sehr besonderer Independent-Verlag, den man nach fast drei Jahrzehnten beinahe als Münchner Traditions-Unternehmen bezeichnen möchte. Nach Anfängen in den Siebzigerjahren mit dem "Aktionsraum 1" hatten die drei Verleger ihn 1990 gegründet. Mit Günter Herburgers bald darauf erschienenem Buch "Das Glück. Eine Reise in Nähe und Ferne" lässt sich die Ausrichtung gut umreißen: Das überwiegend belletristische, mit viel Liebe und Sorgfalt zunächst auf einer eigenen Offset-Druckmaschine hergestellte Programm umspannte grenzenlos die ganze Welt. Der Palästinenser Mahmoud Darwish veröffentlichte hier, der Angolaner José Agualusa, die Brasilianerin Ana Paula Maia, der Südafrikaner Ivan Vladislavić. Manch einen Autor, wie den Inder Kiran Nagarkar, hat A1 hierzulande erst bekannt gemacht. Immer wieder wagte sich der Verlag an ehrgeizige Projekte; an den 1000-Seiten-Roman "Herr der Krähen" von Ngũgĩ wa Thiong'o etwa habe man sich vor ein paar Jahren regelrecht "hingezittert", sagt Woyke.

Das Krähen-Experiment glückte, das gefeierte Buch des immer wieder als Nobelpreiskandidat gehandelten Kenianers verkaufte sich gut. Und doch zeigt dieses Beispiel eines der Probleme, mit denen der Verlag zu kämpfen hatte: Das internationale Programm, auf das man sich in den vergangenen Jahren immer stärker konzentrierte, ist wegen der hohen Übersetzungskosten "das teuerste Segment", sagt Woyke. Außerdem wollte man nie wie andere die Risiken durch eine größere Menge an Büchern kompensieren, ergänzt Holzheimer. Wenn man mit den wenigen Neuerscheinungen auf dem Markt "dann nicht landet, wird es eng". Zum Schluss hat es, so Woyke, "einfach nicht mehr funktioniert".

Es gab in der Geschichte des Verlags auch andere Zeiten. Nach den ersten zehn Jahren der Selbstausbeutung, erinnert sich Völkmann, hatte man das Glück der Überraschungs-Bestseller von Corinne Hofmann. Die verzückte mit ihrem in vier Bänden samt Film verhandelten Lebensthema "Die weiße Massai" Hunderttausende von Lesern: "Da waren wir plötzlich mehr als liquide und haben all unsere wunderbaren Träume umsetzen können." Inzwischen jedoch hätte es zum Weiterträumen wieder einmal einen Bestseller gebraucht, um "durchzuschnaufen" (Holzheimer). Statt dessen litt man wie andere Verlage unter den Rückzahlungen für die VG Wort; "gut getan hat es uns nicht", sagt Völkmann dazu, wie sich überhaupt in der Szene "viel gewandelt" habe. Einiges kam zusammen; vor allem gelang es den Verlegern mit fortschreitendem Alter nicht mehr, bei der zunehmenden Digitalisierung der Branche mitzugehen. "Es hätte sich viel ändern müssen", sagt Woyke. Schon seit längerem suchte man daher nach jüngerer Verstärkung, nach Nachfolgern. Doch selbst eigene Kinder, die in der Branche tätig sind, fühlten sich der Aufgabe nicht gewachsen.

Und so geht es Völkmann, 77, ebenso wie Holzheimer, fast 65, und Woyke, fast 60, jetzt um einen guten Übergang. "Es ist nicht so einfach, gut aufzuhören", sagt Letzterer, "anfangen ist manchmal einfacher." Wichtig ist ihnen nun insbesondere, ihre oft über Jahre gepflegten Autoren bei anderen Verlagen unterzubringen. Was dann bleibt? Über diese Frage witzeln sie sich ironiesicher hinweg. Auf jeden Fall bleibt der berechtigte Stolz auf wichtige Bücher und großartige Zeiten: "Wir haben es genossen." Das Büchermachen sei "der schönste Beruf der Welt", da ist sich Völkmann mit Kollegen wie Klaus Wagenbach und Michael Krüger einig; man könne eine "Spürnase entwickeln, den Horizont abtasten". Und Woyke holt noch schnell ein Plakat mit dem Satz, der vor Jahren eine Vorschau zierte: "Was nicht in den Büchern steht, ist nicht in der Welt." Der A1 Verlag hat der Welt mit seinen Büchern einige hinreißende Elemente hinzugefügt; man möchte sie nicht missen.

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