Liebesdrama:Verrückt nach Gefühlen

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Die französische Regisseurin Nicole Garcia hat den italienischen Bestseller "Die Frau im Mond" mit Marion Cotillard in der Hauptrolle verfilmt.

Von Rainer Gansera

So traumwandlerisch schön kann nur das französische Kino von einer Amour fou erzählen. Eine "Hommage an das weibliche Begehren" nennt Regisseurin Nicole Garcia ihre französische Adaption des italienischen Bestsellers "Die Frau im Mond" von Milena Agus. Sie verlegt die ursprünglich in Sardinien spielende Geschichte nach Südfrankreich, in die Provence der Fünfzigerjahre.

Erster Schauplatz: die Lavendelfelder, vom Gesumme der Bienen erfüllt. Mittendrin in dieser Traumlandschaft steht ein einzelnes Gehöft. Hier begegnen wir der mädchenhaften Gabrielle, gespielt von Marion Cotillard, die sich in die Lektüre von Emily Brontës "Sturmhöhe" vertieft. Wir erahnen die erotischen Visionen, die dieser Klassiker des Liebesverlangens in ihr aufsteigen lässt. Eros ist Imagination, die sich ihre eigene Welt erschafft. Der Dorfschullehrer hat Gabrielle das Buch geliehen, und schon wird er zum Opfer ihrer Fantasien. Sie flüstert ihm Dinge zu wie: "Wir werden nackt sein ... ich werde mich auf Sie legen ... Sie werden in mich eindringen!" Der verheiratete Mann muss die Zudringliche in aller Öffentlichkeit schroff zurückweisen. Ein Skandal.

Die Mutter, die das Regiment auf dem Anwesen führt, hält Gabrielle für "nicht ganz richtig im Kopf" und stellt sie nach dem Eklat vor die Wahl: Einweisung in die Nervenheilanstalt - oder heiraten. Zwei Arten, die Tochter loszuwerden, unter Wahrung der gesellschaftlichen Regeln. Einen potenziellen Ehemann hat sie auch schon ausgespäht, José (Alex Brendemühl), ein spanischer, dem Franco-Regime entflohener Saisonarbeiter. Mit der Ankündigung, dass sie ihn niemals lieben werde, stimmt Gabrielle der Hochzeit zu. José, dem die Mitgift zu einer erfolgreichen Karriere als Bauunternehmer verhilft, lässt Gabrielle gewähren, er rührt sie nicht an, übt sich in stoischer Zurückhaltung. Regisseurin Garcia setzt nicht nur ihre Heldin wunderbar in Szene, sie formt auch José zur faszinierenden Gestalt. Anfangs mag er opportunistisch erscheinen, offenbart dann aber sein stolzes Wesen.

Zweite Landschaft: die Schweizer Alpen, wo Gabrielle in einem Sanatorium ihr Nierenleiden kurieren soll und die glücklichsten Tage ihres Lebens verbringt. Sie findet dort ihre große Liebe in Gestalt eines Idealbilds romantischer Projektion: André (Louis Garrel), ein im Indochinakrieg schwer verwundeter französischer Offizier. André muss in eine Klinik abtransportiert werden, und noch einmal wechselt das Landschaftsbild auf markante Weise. Gabrielle kehrt zurück in ein Haus am Ufer des Mittelmeeres, das José für sie gebaut hat. Sie schreibt glühende Liebesbriefe an André, aber erhält keine Antwort.

Die drei Landschaften der Geschichte sind stimmungsvoll, aber nicht naturmystisch gezeichnet. Sie spiegeln Gabrielles Gemütslagen. Zuerst die Lavendelfelder als Bild ihres träumerischen Wesens, dann die majestätischen Alpen als Echoraum ihres Glücks, schließlich der unendliche Sehnsuchtshorizont am Meer.

Gabrielles Obsession ist keine Suche nach dem Gefühlsexzess, sondern Sehnsucht nach Seelenverwandtschaft und Vertrautheit. Deshalb überzeugt Marion Cotillards eher verhaltene Art der Expression. Bei ihr gibt es kein pathetisches Augenrollen oder Haare raufen. Sie bringt Leidenschaft als inneres Leuchten zum Ausdruck und verleiht dem Drama auf diese Weise seinen Zauber.

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Mal de pierres , Frankreich/Belgien/Kanada 2016 - Regie: Nicole Garcia. Buch: Nicole Garcia, Jacques Fieschi, nach dem Roman von Milena Agus. Kamera: Christophe Beaucarne. Mit: Marion Cotillard, Louis Garrel. Studiocanal, 116 Minuten.

© SZ vom 02.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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