Liberale Hayek-Gesellschaft:Dauerschaum

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Die Liberalen arbeiten sich immer häufiger im Grabenkampf auf, statt zu debattieren - dieses Phänomen hat jetzt auch die Hayek-Gesellschaft erreicht.

Von Johannes Boie

Zum Wochenende lädt die Hayek-Gesellschaft zur Jahreshauptversammlung in Leipzig. Ein paar Anhänger des großen Ökonoms Friedrich August von Hayek werden sich wohl fetzen wie K-Gruppen-Mitglieder in den Siebzigern. Es knallt gewaltig bei den liberalen Denkern. Der Streit steht stellvertretend für einen Erosionsprozess der liberalen Szene.

In der Hayek-Gesellschaft sammelt sich eine Gruppe hinter der Vorsitzenden Karen Horn. Die Ökonomin sieht die Gesellschaft als ein vor allem wissenschaftliches Projekt und warnte unlängst auf einer Seite in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vor "Dauerschaum vor dem Mund" in der Szene. Sie wünsche sich stattdessen "sorgsames Wägen". Horn kritisiert, dass unter dem Dach der Gesellschaft zum Teil auch radikale Positionen lautstark vertreten würden. Ihre Gegner werfen ihr vor, vor allem im eigenen Sinne sorgfältig abzuwägen, und meinen, Horn wolle ausgerechnet bei den Fans des Individualismus ihre Definition von Liberalismus durchsetzen. Horns Gegner betrachten die Hayek-Gesellschaft als Plattform, auf der sich vom katholisch-konservativen Liberalen bis hin zum Fan des Nachwächterstaats alles versammeln darf, was irgendwie liberal bis libertär ist. Ein wenig Lärm, finden Anhänger dieser Gruppe, kann dabei gar nicht schaden. Immerhin sind die Ideen des namensgebenden Wirtschaftsgroßmeisters Hayek nicht zuletzt deshalb eher unbekannt, weil sie fast nur in akademischen Zirkeln diskutiert wurden, obwohl Hayek 1974 den Nobelpreis erhielt.

Damit steht die 1998 gegründete Gesellschaft am selben Scheidepunkt wie derzeit viele liberale Projekte und Publikationen. Unlängst zerbrach das Team des freiheitlich-konservativen Blogs "Achse der Guten" an der Debatte um die eigene Ausrichtung. In der Alternative für Deutschland scheint der liberale Flügel den Kampf gegen neurechte Kräfte verloren zu haben. Auf kleinerer Ebene schwelt der Streit in Facebook-Gruppen und Zeitschriften.

Das liegt auch daran, dass die Welt außenpolitisch komplexer geworden ist. Im Zentrum der liberalen Debatte steht immer seltener Wirtschaftspolitik, zu Gretchenfragen werden stattdessen der Umgang mit Putin, dem Islam, mit Flüchtlingen, Israel und den USA. Dadurch entstehen ständig neue Grabenkämpfe, die gemeinsame Sache gerät in Vergessenheit. Bis keiner mehr weiß, was die gemeinsame Sache einst war.

© SZ vom 23.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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