"Liberace" im Kino:Operative Liebe

Michael Douglas als Liberace mit Matt Damon

Michael Douglas als Liberace (links) mit Matt Damon.

(Foto: DCM Filmverleih/dpa)

Steven Soderberghs angeblich letztes Werk erzählt die Geschichte des glamourösen Klavier-Genies Liberace und seines jungen Geliebten, schaurig schön verkörpert von Michael Douglas und Matt Damon. Der Regisseur tut noch einmal, was er so gut kann: das zerbrechliche Häuflein Mensch entdecken, das sich hinter einer Fassade verbirgt.

Von Susan Vahabzadeh

Auf den ersten Blick ist Steven Soderberghs "Liberace" eine Groteske, manchmal sympathisch bizarr und manchmal recht schaurig. Wir haben da also dieses Paar, das schon zu Beginn der Beziehung ziemlich merkwürdig aussieht: Scott, der Junge mit dem Popper-Haarschnitt, und sein leicht vergreister Liebhaber in seinen alltäglichen Faschings-Outfits. Im Verlauf des Films sehen sie dann immer eigenartiger aus, weil hier und dort in den Gesichtern ein Implantat hinzukommt und ein Abnäher gemacht wird. So kommt es dann zu jenem wunderbaren Moment, wenn sich Scott nachts umdreht zu seinem Liebhaber, der gerade ein Facelifting zu viel hat machen lassen - und der laut schnarchend, aber mit geöffneten Augen neben ihm liegt. Eine großartige Szene - weil man nicht so recht weiß, ob man lachen soll oder sich gruseln.

Ein Biopic über den Entertainer Liberace und seine große Liebe, und wie sie dann doch in die Brüche ging. "Liberace - Zu viel des Guten ist wundervoll" ist einstweilen wohl wirklich Steven Soderberghs letzter Film oder vielleicht auch nur der letzte in einer Reihe von letzten Filmen, aber er tut darin noch einmal, worin er immer besonders gut war: das zerbrechliche Häuflein Mensch entdecken, das sich hinter einer Fassade verbirgt - die in diesem Fall aus einer Tonne Make-up und ziemlich viel Glitzerzeug besteht.

Zeitdokument aus der Ära vor den Outings

1976 beginnt die Geschichte, und da war das Glitzerzeug noch vergleichsweise gewöhnlich, in Las Vegas zumal - aber Liberace neigte bei allem zur Übertreibung. Scott (Matt Damon), sieht ihn auf der Bühne, wird ihm dann vorgestellt. Liberace gräbt den Jungen sofort an und lädt ihn in sein Haus ein, Scott arbeitet mit Tieren und bietet an, sich um Liberaces kranken Hund zu kümmern, so kommt eins zum anderen: alles klar. Draußen aber, vor Publikum, ist gar nichts klar: Da klimpert Liberace mit den falschen Wimpern, entblößt sein gebleichtes Gebiss, wedelt spielerisch-tuntig mit den Armen, während er am Klavier mit dem Kerzenleuchter drauf sitzt - aber keiner denkt sich was dabei. Das ehemalige Klavier-Wunderkind, das sich in den Sechzigern eher zu einer Wundertüte herausgeputzt hatte und so ein Star wurde, sieht sich überwiegend von alten Damen angehimmelt, in aller Unschuld. Eine Schwulen-Ikone war er nicht.

Diese Geschichte ist also zum Teil auch Zeitdokument, aus der Ära vor den Outings, als alles wahnsinnig freizügig war, und doch nicht freizügig genug - noch ging das nicht, dass Liberace seinen Liebsten überallhin hätte mitnehmen können. Ein Stückchen glamouröser, künstlicher Siebzigerjahre, von Soderbergh selbst (unter dem Namen Peter Andrews) gefilmt und (unter dem Namen Mary Ann Bernard) geschnitten. Dann ist "Liberace" aber auch: Romanze, und voller giftiger Seitenhiebe auf die Regeln des Showbiz, das Soderbergh inzwischen gehörig auf den Geist zu gehen scheint, weswegen er ja dem Kino zumindest für die nahe Zukunft entsagen will. "Liberace" war - obwohl das, was sich zwischen Michael Douglas und Matt Damon abspielt, ein paar grobe Gags und ein wenig Knutscherei, harmlos ist gemessen an dem, was sich das französische Kino erlaubt, wenn es von Homosexualität erzählt - fürs Kino nicht durchzubringen in Amerika, höchstens mit Mini-Budget. Also ist es ein amerikanischer Fernsehfilm geworden, für HBO gedreht, der bei uns im Kino läuft.

Mehr als eine Groteske

Was Michael Douglas als Liberace da abliefert, wurde gerade mit einem Emmy prämiert - ein großartiger, hinreißender Auftritt, charmant und verschlagen, irgendwie fast verführerisch. Als hätte sich Michael Douglas freigespielt und könnte nun ohne jeden Zwang agieren, eine Figur, die mit ihrer Künstlichkeit spielt, und der man dennoch jede Sekunde glaubt.

"Liberace" ist aber nicht nur deswegen ein wenig mehr als eine Groteske oder ein besonderer Auftritt eines Hollywoodstars. Soderbergh hat in diese Geschichte noch mal sehr klug verpackt, was im Kino immer sein Ziel war: Filme zu machen, die mehrere Ebenen und Lesarten haben, die einem Genre gerecht werden, Unterhaltung bieten - und hinter denen doch eine Haltung steckt, ein Weltbild.

Was Soderbergh - das ist schon darin begründet, dass Matt Damon Scott Thorson spielt - nicht ausbreitet: Als Liberace Scott kennenlernte, war der erst 16, als er den Job bei ihm annahm, war er 17 - also noch nicht ganz gar. Was dann erklären mag, warum er sich, allerdings ein paar Jahre später, diese absurden Schönheitsoperationen von Liberace hat einreden lassen. Was man dann aber sehr wohl sieht: Gut behandelt hat ihn Liberace vor allem dann, wenn ihm gerade der Sinn danach stand. Die meiste Zeit sehen wir ja, wie diese Beziehung, die so spektakulär leicht beginnt, zerbröckelt. Liberace hat Scott, die große Liebe seines Lebens, betrogen, sich mit ihm gestritten, ihn letztlich abserviert und vor Gericht besiegt. Und sich doch, kurz vor seinem Tod, mit ihm versöhnt.

Der Film macht es sich nicht leicht

So ist der Film dann vor allem ein Plädoyer für die Ehe, das organisierte Zusammenleben: Die beiden entzweien sich, wie das nach einigen Jahren manchmal eben so ist - das bedeutet in diesem Fall, dass Scott, der alles aufgegeben hat für diese Beziehung, vor dem Nichts steht. Und keine Rechte hat. Er wäre auf die Fairness seines ehemaligen Geliebten angewiesen, und das ist nicht genug.

Das ist das wirklich Bemerkenswerte an diesem Film: Er macht es sich gar nicht leicht. Das hier ist keine Romanze, ist nicht die Geschichte einer unanfechtbaren Schwulenliebe, von sympathischen Menschen, die einander alles bedeuten - sondern von zwei leicht derangierten Gestalten, die einander wehtun, einen unerhört schlechten Geschmack in Einrichtungsfragen haben und entsprechend wenig Urteilsvermögen bei der Wahl des gemeinsamen Schönheitschirurgen. Und am Ende mag man sie doch, und hinter der Fassade der Künstlichkeit entdeckt man ein ganz normales Paar, und man glaubt ihnen, dass sie einander geliebt haben. Auf ihre Art.

Behind the Candelabra, USA 2013 - Regie, Kamera, Schnitt: Steven Soderbergh. Drehbuch: Richard LaGravenese, nach den Memoiren von Scott Thorsen. Mit: Matt Damon, Michael Douglas, Dan Aykroyd, Rob Lowe, Scott Bakula, Debbie Reynolds. DCM Film Distribution, 118 Minuten

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