Leutheusser-Schnarrenberger zum Fall Gurlitt:"Rechthaberei hilft hier nicht weiter"

"Straßenbahn" von Bernhard Kretschmar

Aus der Sammlung von Cornelius Gurlitt: "Straßenbahn" von Bernhard Kretschmar

(Foto: dpa)

Ist er wunderlicher Alter, Kunsträuber oder am Ende Opfer und Gejagter? Cornelius Gurlitt verweigert die Rückgabe von Bildern aus dem Schwabinger Kunstschatz - oder überhaupt nur mit der Staatsanwaltschaft zu reden. Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger räumt aber auch Versäumnisse seitens der Behörden ein.

Von Jörg Häntzschel

Der Kunstfund in der Wohnung von Cornelius Gurlitt hat die deutsche Justiz und Politik in ein täglich tiefer werdendes Dilemma gestürzt. Doch die Hoffnung, er selbst könnte helfen, es aufzulösen, hat sich wohl zerschlagen. "Ich werde nicht mit denen reden, und freiwillig gebe ich nichts zurück", zitiert ihn der Spiegel, der Gurlitt für einen Beitrag in der aktuellen Ausgabe begleitet hat. "Die Bilder sind mein Privateigentum." Am Freitag hatte der bayerische Justizminister Winfried Bausback in einem Interview mit der SZ darauf gedrängt, man müsse so schnell wie möglich mit Gurlitt sprechen.

In einer ersten Reaktion meinte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger am Sonntag gegenüber der SZ: "Ich hoffe, das ist nicht das letzte Wort. Gurlitt sollte sich an die gute Praxis aus früheren Jahren erinnern und sich auf Gespräche einlassen. Rechthaberei hilft hier nicht weiter." Der von Bausback ins Spiel gebrachten Überlegung, in diesem Fall rückwirkend die Verjährung auszusetzen, räumte sie geringe Chancen ein: "Da sind die Spielräume ganz, ganz eng."

In dem Spiegel-Artikel überzieht Gurlitt die Augsburger Staatsanwaltschaft mit heftigen Vorwürfen: Er habe bisher weder eine Anklageschrift bekommen, noch habe der Staatsanwalt nach der ersten Vernehmung je wieder Kontakt mit ihm gesucht. Auch was mit seinen Bildern geschehe, teile man ihm nicht mit. Leutheusser-Schnarrenberger hält diese Kritik zum Teil für berechtigt: "Er hat in jedem Fall das Recht, ordnungsgemäß behandelt zu werden wie jeder andere auch. Als Beschuldigter hat man das Recht, informiert zu werden. Wenn die Verdachtsgründe sich nicht verdichten und wenn nicht genug Gründe vorliegen für die Beschlagnahmung, dann muss entsprechend entschieden werden. Das ist ein Recht, das er sehr wohl geltend machen kann."

Warum er auch den Teil der Werke, der von der Staatsanwaltschaft selbst als unbedenklich und somit als Gurlitts rechtmäßiges Eigentum eingeschätzt wird, nicht längst zurückbekam, ist auch Leutheusser-Schnarrenberger nicht klar. "Ich kann es mir nicht erklären. Ich weiß nicht, wie der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss aussah, aber es ist klar, dass es Versäumnisse gibt in diesem Verfahren. Die richtigen Stellen wurden viel zu spät eingeschaltet. Jetzt muss man (hinsichtlich der Rückgabe unbedenklicher Bilder, d. Red.) zügig die Entscheidungen treffen, die man treffen kann. Die Beschlagnahme ist ja nicht dazu da, um jemanden unter Druck zu setzen, um vielleicht etwas anderes von ihm zu bekommen." Konkrete Pläne, Verhandlungen mit Gurlitt aufzunehmen, um ihn zu einer freiwilligen Rückgabe eines Teils der Werke zu bewegen, gebe es noch nicht, erklärte sie. Schließlich habe sich die Taskforce zur Aufarbeitung des Falls ja gerade erst gebildet.

Der Mann, der in den letzten zwei Wochen mal als wunderlicher Alter, mal als abgefeimter Kunsträuber und mal als kultivierter Gentleman beschrieben wurde, spielt im Spiegel die Rolle des unschuldigen Opfers und "Gejagten". "Die Fremden", so nennt er die Fahnder von Zoll und Staatsanwaltschaft, hätten ihm das Herz gebrochen, als sie die Bilder beschlagnahmten. Die mehrtägige Aktion sei nicht weniger schlimm gewesen als die Folter und Tötung von Gefangenen in Kafkas Erzählung "In der Strafkolonie".

"Du sollst nicht stehlen. Du sollst nicht lügen", kommentiert Gurlitt die Behördenaktionen. Dass ein Teil der Werke vermutlich Menschen abgenommen wurde, die sie - im Gegensatz zu ihm - selbst gekauft hatten, fällt ihm nicht ein. Der Frage, woher der Schatz stamme, sei er nie nachgegangen. Gurlitt füllt immerhin einige blinde Flecken des Thrillers. So stammen die 9000 Euro, mit denen er aus der Schweiz kommend im Zug auffiel, von einem Schweizer Konto, auf dem er Geld aus einem 20 Jahre zurückliegenden Kunstverkauf liegen hatte. Auch von seinen gesundheitlichen Problemen, seinen bizarren Eigenheiten und seinem "Realitätsverlust" ist im Spiegel immer wieder die Rede.

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