Letzte Folge: "Emergency Room":Bitte jetzt ganz tapfer sein

Sollte ich krank sein, fahrt mich ins Chicago County. Da sind alle Ärzte mutig und George Clooney grinst mich an. Nach 16 Jahren läuft heute die letzte Folge "ER" - noch einmal mit Glorious George.

Barbara Gärtner

Serienfans sind Masochisten. Der Filmfreund schaut Gemetzel und Geknutsche in Fußballspiellänge und kann sich dann im Bett wohlig einrollen, vergessen. Ein Serienliebhaber aber leidet. Ein Kuss ist nie Kuss, sondern immer nur Vorspiel für das baldige Krebs-Scheidungs-oder-Meuchelmörder-Ende. Damit imitiert die TV-Fortsetzungserzählung das Leben, das sich ja auch an keine Happy-End-Abmachung hält.

Letzte Folge: "Emergency Room": Sein Wie-wärs-mit-uns-Gegrinse trieb schon in der ersten Folge die herzensgute Schwester Carol in den Selbstmordversuch: George Clooney als Kinderarzt Dr. Ross tritt noch einmal in ER auf.

Sein Wie-wärs-mit-uns-Gegrinse trieb schon in der ersten Folge die herzensgute Schwester Carol in den Selbstmordversuch: George Clooney als Kinderarzt Dr. Ross tritt noch einmal in ER auf.

(Foto: Foto: dpa)

"Emergency Room" - für Abhängige kurz ER - meinte es immer realitätsernst, bis zur allerletzten Folge, die Pro Sieben an diesem Mittwochabend in einer zweistündigen Schluss-OP aussendet. 16 Jahre und 15 Staffeln lang war "gehetzt dreinschauen" die wohl häufigste Regieanweisung für die Darsteller in der Notaufnahme des fiktiven Chicago County General. Die Idee stammt vom Mediziner und späteren Bestsellerautor Michael Crichton. Ständig krachte irgendwo in der Großstadt ein Rohbau zusammen oder raste ein Schulbus gegen einen Brückenpfeiler. In den wenigen Außenaufnahmen pfiff stets ein kalter Wind durch Chicago. Und dann sägten Sirenen, und die Arztkittel flatterten im Stechschritt. "Was haben wir hier?" "Unfall mit Kettensäge." "Wo ist der Arm?" "Am Unfallort."

ER war völlig anders als das sonstige Krankenhaus-TV-Pathos davor und danach: Patient und Zuschauer sollten gefälligst tapfer sein.

"Emergency Room" war immer Überforderung; in seiner Lakonie, seinem Thoraxdrainage-Latein und den schnell geschnittenen Parallel-Operationen - in der Pilotfolge wurden gleich 45 Verletzte verarztet: schnippschnappzackweg. Aber wer Patientengeschichten verlangt, hat das Prinzip Notaufnahme nicht kapiert: Wer Glück hat, darf nach Hause. Nur Ärzte bleiben länger.

Der junge George Clooney praktizierte als Kinderarzt Dr. Ross in der Notaufnahme und sein damals bereits voll ausgebildetes Wie-wärs-mit-uns-Gegrinse trieb schon in der ersten Folge die herzensgute Schwester Carol in den Selbstmordversuch. Er gurrte fünf Jahre und verzog dann nach Seattle und in die Welt des Kinos. Sein Nachfolger, der traurig dreinschauende Dr. Luka Kovac (Goran Visnjic) brachte den amerikanischen Fernsehzuschauern mit seiner kroatischen Herkunft den Balkankonflikt bei, und auch das Pathologische in ER war oft politisch: Irak-Krieg, Outing, die HIV-Erkrankung einer Physiotherapeutin - das ER-Team machte einiges mit. Die Zuschauer auch. Für die Treue sorgte der Serienmasochismus.

Sollte ich krank sein, fahrt mich im Notfall bitte ins Chicago County General. Denn die Kollegen von "Grey's Anatomy", "Scrubs" oder "Private Practice" scheinen sich selbst ihre besten Kunden zu sein, als Kranke wäre ich nur ein dramatischer Kollateralschaden. Wenn sie zum Ende alle noch einmal zusammenkommen, der Grinse-Clooney, die einst humpelnde und dauerbellende Oberärztin Dr. Weaver und Dr. Carter, der den grandiosen Aufstieg vom Schnöselpraktikanten zum Lieblings-Doktor geschafft hat, dann ist es dieses Mal doch schlimmschlimm. Denn in einer Fernseh-Notaufnahme kann es immer nur einen Happy Moment, nie aber ein Happy End geben.

Emergency Room, Pro Sieben, 22.15 Uhr.

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