Lena Dunham in Berlin:Autorin, Feministin, liebt Snacks

Lena Dunham Berlin

Lena Dunham im Deutschen Theater in Berlin.

(Foto: PHIL_DERA; Phil Dera / ZEITmagazin)

"Zu Blake Lively sagt niemand: Hey, diese Sexszene war total mutig von dir": Die "Girls"-Erfinderin Lena Dunham kommt nach Berlin und sieht aus wie eine, die schon hier wohnt.

Von Hannah Beitzer, Berlin

Es muss ziemlich komisch sein, von einer Bühne in einen Raum voller Mädchen zu gucken, die gerne so wären wie man selbst. Lena Dunham sitzt im Deutschen Theater, sie trägt ein grünes Kleid mit Libellen. Vor ihr im Zuschauerraum ein paar hundert Berliner Mädchen und junge Frauen, die ihr und den Figuren, die sie für ihre Fernsehserie "Girls" entwirft, wirklich sehr ähnlich sehen. Second-Hand-Klamotten, dicke Stiefel, verwuschelte Haare, Oma-Strickjacken.

Lena Dunham schreibt die Drehbücher für die sehr erfolgreiche US-Serie "Girls", produziert sie und spielt gleichzeitig die Hauptrolle: Hannah, eine Mittzwanzigerin, die in New York lebt, viel miesen Sex und viele miese Jobs hat und Schriftstellerin werden möchte. An diesem Sonntagabend stellt Dunham ihre Autobiografie "Not that kind of girl - Was ich im Leben so gelernt habe" vor, der Journalist Christoph Amend interviewt sie im Deutschen Theater.

"Ich bin Lena. Ich lebe in New York City. Ich bin Autorin. Ich bin Feministin. Ich liebe Snacks." So stellt sie sich dem Publikum zu Beginn des Abends vor.

Um Dunhams Erfolg zu erklären, reicht das natürlich nicht ganz. Was das besondere an ihr ist? Da ist zum einen Dunhams Körper, den sie in "Girls" in tragisch-komischen Sexszenen Dutzende Male nackt präsentiert. Ein ziemlich normaler Frauenkörper eigentlich, nicht dünn, aber auch nicht richtig dick. Blassblaue Tattoos ziehen sich über die Arme, ihre runden Schultern, den hellen Rücken. Obendrauf ein hübsches Gesicht.

Der Körper ist eine Kampfzone

In Hollywood mag das außergewöhnlich sein; nach Berliner Standards ist Lena Dunham attraktiv. Es ist auch nicht der Körper allein, sondern vielmehr die Art, wie sie ihn quetscht und vorzeigt und verformt, wie sie ihre normalen Brüste zeigt, die kleinen Dellen in den Oberschenkeln. All das wirkt auf die Zuschauerinnen befreiend.

"Ich färbe mein Haar neongelb und trage einen Vokuhila, der eher von Teenie-Müttern aus den Achtzigern inspiriert ist als von aktuellen Schönheitstrends. Ich ziehe neonfarbene Spandexsachen an, die an den falschen Stellen eng sind", schreibt sie in "Not that kind of girl".

Der Körper ist also eine Kampfzone, eine Waffe. Nur eben nicht auf die Art und Weise, die gewöhnlich gemeint ist, wenn es heißt: Sie setzt ihren Körper als Waffe ein. "Er ist ein Werkzeug für Comedy", sagt sie in Berlin, wo für sie auch beinahe jede Frage, die der Moderator stellt, Vorlage für einen Scherz ist, den die Zuschauerinnen mit explodierendem Gelächter aufnehmen. "Ich meine: Zu Blake Lively sagt niemand: 'Hey, das ist total mutig, dass Du diese Sexszene gemacht hast'", sagt sie.

Nimmt sich Dunham zu wichtig?

Dunham plaudert über ihren Hund, der sogar einen eigenen Instagram-Account hat. "Ich habe damit nichts zu tun", sagt sie, "aber ich folge ihm auf Instagram und auf Twitter." Gelächter. "Is he oversharing?", fragt Amend. "To overshare" bedeutet in etwa: zu viel von sich preisgeben und sich dabei auch noch selbst zu wichtig nehmen. Ein Vorwurf, der Dunham selbst häufig gemacht wird. Die guckt sehr ernst und sagt dann bedeutungsvoll: "Ich meine ... er ist fast immer nackt!" Wieder explodierendes Gelächter.

Aber rechtfertigen eine erfolgreiche Fernsehserie, Witz und Selbstironie schon eine Autobiografie? Mit gerade 28 Jahren? "Ich finde nichts mutiger, als wenn jemand verkündet, dass seine Geschichte es wert ist, gehört zu werden, vor allem, wenn dieser Jemand eine Frau ist", schreibt Dunham in "Not that kind of girl".

Spannend für Gleichaltrige

In dem Buch erzählt sie von ihrer Kindheit in einem kreativen New Yorker Umfeld. Beide Eltern sind Künstler, sie geht auf liberale Schulen, darf sich ausprobieren, hat elendig schlechten Sex, den sie mit den Worten beschreibt: "Es fühlte sich oft so an, als würde jemand einen Luffa-Schwamm in ein Einweckglas stecken."

Es geht um Diäten, um die Schule, ums Verliebtsein, um Kämpfe mit den Eltern, Partys, Sinnsuche, Liebeskummer. Das ist nicht immer spannend, sondern oft recht banal, wenn auch witzig geschrieben. Vielleicht ist das sogar das Interessanteste an Dunhams Buch: Selbst wenn jemand Künstlereltern hat, klug und lustig ist, in New York aufwächst statt in Darmstadt, verdichtet sich das eigene Leben nicht automatisch zu einem Erzählstrang, der irgendwann in einem bedeutungsvollen Finale endet.

Sowas gibt es eben meist nur in Fernsehserien, Romanen, Filmen. Weswegen der Unterhaltungswert von "Not that kind of girl" nicht an das sehr verdichtete "Girls" herankommt. Das, was Dunham im Leben gelernt hat, ähnelt dem, was alle anderen auch lernen. Was okay ist, nur ist "Not that kind of girl" eben nicht so interessant für diejenigen, die die Zwanziger hinter sich haben.

Dunham erlebt für "Not that kind of girl" ebenso wie für "Girls" viele Angriffe. Die einen werfen ihr vor, die eigenen Privilegien nicht zu reflektieren, was man auch "Girls" anmerke. Die vier Hauptfiguren der Serie sind weiße Mittelschichts-Mädchen, für die es schon tragisch ist, wenn die Eltern das New Yorker Bohème-Leben nicht mehr finanzieren wollen und sie sich einen Job suchen müssen.

Hass aus konservativen Kreisen

Diese eher linke Kritik trifft sich mit der Ablehnung, auf die Dunham - wenig verwunderlich - in konservativen Kreisen stößt. Nach Erscheinen ihres Buches warfen ihr konservative Journalisten in den USA sexuellen Missbrauch ihrer kleinen Schwester vor. Denn in einer Szene beschreibt sie, wie sie als Siebenjährige die Vagina des Babys untersucht. Inzwischen ist die Empörung abgeflaut, Amend und Dunham sprechen nur in Andeutungen darüber.

Sie selbst vermutet, dass der Hass aus konservativen Kreisen auch damit zu tun haben könnte, dass sie sich offen als Anhängerin von US-Präsident Barack Obama zu erkennen gibt. "Öffentliche weibliche Figuren sind immer ein Ziel von Hass", sagt sie, "besonders wenn sie sich zu Politik und Frauenrechten äußern." Sie möchte im kommenden Wahlkampf auch für Hillary Clinton werben - "ganz egal, ob sie mich will oder nicht", sagt sie grinsend. Wieder Gelächter im Saal.

Dunham versteht es, jedem bedeutungsvollen Satz durch einen hinterhergeschobenen Witz die Schwere zu nehmen, kluge Dinge zu sagen, ohne altklug zu wirken. Altklug. Was für ein schlimmes Wort eigentlich, als könnte ein junger Mensch nicht klug sein, wenn er über das redet, was er fühlt und denkt.

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