"Le Week-End" im Kino:Ehe-Demontage-Trip

Jim Broadbent, Lindsay Duncan, Jeff Goldblum in Le Weekend

Zwei frühere Kommilitonen und eine Frau: Nick (Jim Broadbent), Meg (Lindsay Duncan) und Morgan (Jeff Goldblum) in "Le Weekend" (von links).

(Foto: Prokino Filmverleih)

Für dieses englische Ehepaar sollte ein Ausflug nach Paris an bessere Tage erinnern. Doch die vermeintliche trauliche Zweisamkeit mutiert zum Ehezerstörungstrip, was lustig anzusehen ist. Denn gerade als der Zuschauer beginnt, jeden der beiden zu verstehen, werden die Betroffenen ebenfalls von der Einsicht erfasst.

Von Susan Vahabzadeh

In Paris, das gilt als ausgemachte Sache, ist die Romantik zu Hause. Generationen von Paaren pilgerten schon dorthin, und eigentlich ist es nicht weiter verwunderlich, wenn dabei eher ein Beziehungstest herauskommt: Was schweißt mehr zusammen, ein bezahlbares Hotelzimmer mit dem Charme eines Container-Auffanglagers oder die Aussicht darauf, gemeinsam einen Kleinkredit aufzunehmen, um die Kosten für einen 48-Stunden-Trip zu bezahlen?

So ähnlich geht es auch Meg und Nick. Als der Zug durch den Tunnel unter dem Ärmelkanal rauscht, sind sie noch voller Vorfreude. Als Meg das Hotelzimmer in Paris sieht, rastet sie aus. Das liegt zum einen daran, dass das Hotelzimmer einigermaßen zentral liegt, dies aber das einzige ist, was man zu seiner Verteidigung vorbringen kann. Und zum anderen liegt es daran, dass Meg Nicks Knauserigkeit satt hat, und zwar schon lang - die beiden sind Anfang sechzig und schon sehr, sehr lange verheiratet. Paris sollte eigentlich die Stimmung der Hochzeitsreise wiederherstellen. Pustekuchen.

Der großartige Roman- und Drehbuchautor Hanif Kureishi - das Script zu Stephen Frears' "Mein wunderbarer Waschsalon" stammte beispielsweise von ihm - hat "Le Week-End" geschrieben, Regie führt Roger Michell - der hat mit "Notting Hill" eine der erfolgreichsten romantischen Komödien überhaupt gedreht, was dann zunächst einmal die Erwartungen recht hoch schraubt.

Für eine romantische Komödie ist die vermeintliche trauliche Zweisamkeit, die zum Ehezerstörungstrip mutiert, jedenfalls klassisches Terrain. Die Idee, das dann auch ganz klassisch durchzuspielen, bloß halt mit einem Paar, das schon ein wenig angegraut ist - die ist fabelhaft; und es ist auch tatsächlich eine, die es vorher noch kaum gegeben hat. Das Durchschnittsalter der Kinofiguren in den letzten Jahren hat zwar deutlich angezogen, lustige Liebesgeschichten waren aber nicht viele dabei.

Versuchung und Schreckgespenst zugleich

Meg (Lindsay Duncan) entscheidet sich für den Kleinkredit, und zwar im Alleingang, sie rauscht ab ins Grand Hotel an der Oper, und Nick (Jim Broadbent) dackelt ihr hinterher, legt sich dabei auf die Nase und humpelt letztlich in die ehrwürdige Lobby. Das neue Badezimmer, jammert er, können sie jetzt vergessen. Die beiden gehen einander auf die Nerven, sie merken es nur sonst nicht so, weil ihre Jobs sie tagsüber schön fern voneinander halten.

Diese zwei Charaktere sind sehr schön entwickelt: er der weinerliche Nörgler, der seine Frau dauernd betatschen will, sie zickig und kaltschnäuzig - und nach einer Weile wachsen sie einem dann doch ans Herz, weil man beginnt sie zu verstehen. Und weil man ihnen zusieht, wie sie einander wieder zu verstehen beginnen, während das Schicksal ihnen die nächste Prüfung auferlegt.

Gerade als sie sich zusammengerauft hatten. Als die Stimmung, wegen gelungener Zusammenarbeit bei einer Zechprellerei, endlich mal nach Urlaub aussieht, laufen sie Nicks altem Kommilitonen Morgan (Jeff Goldblum) in die Arme. Der Mann, Nick hatte ihn während des Studiums in Cambridge unter seine Fittiche genommen, ist Versuchung und Schreckgespenst zugleich.

Sich so richtig nichtig fühlen

Einerseits wurde Nick nur Lehrer an einem kleinen College in der englischen Provinz - der überkandidelte Morgan aber ist ein gefeierter Bestseller-Autor, mit junger Gattin, Pariser Luxusappartement und lauter total wichtigen Freunden. Andererseits will er Meg und Nick unbedingt zu einer Party einladen, und vor allem Meg möchte da unbedingt hin.

Es folgt die Läuterung: erst mal im Angesicht von Morgans Kulturschickeria sich so richtig nichtig fühlen, dann sich wieder hochrappeln. Am witzigsten ist "Le Week-End" immer dann, wenn sich die beiden benehmen wie die Teenager.

Wie die Ehe- und Liebespartner emotional dann doch noch die Kurve kriegen - das ist eigentlich eine schöne Geschichte, in der nicht alles Gold ist, was glänzt. Die Dialoge könnten aber ein klein wenig witziger sein, scharfzüngiger, echtes Screwball eben. Und irgendwann - so ist es Roger Michell seinerzeit bei "Notting Hill" auch schon passiert - dreht die Handlung eine Pirouette zu viel. Bis einem schwindlig wird. Aber das Genre der Spät-RomCom ist ja auch noch in der Entwicklungsphase.

Le Week-End, GB 2013 - Regie: Roger Michell. Drehbuch: Hanif Kureishi. Kamera: Nathalie Durand. Mit: Jim Broadbent, Lindsay Duncan, Jeff Goldblum, Olly Alexander, Brice Beaugier. Verleih: Prokino, 93 Minuten.

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