Landkreis München:"Wir verbinden damit immer auch Emanzipation"

Landkreis München: Peter Vaitl (ganz links) bei der Verleihung des Seelen-Art-Kunstförderpreises 2016 mit Künstler Cosmic Tom, Gerhard Polt und Bezirkstagspräsident Josef Mederer (von links).

Peter Vaitl (ganz links) bei der Verleihung des Seelen-Art-Kunstförderpreises 2016 mit Künstler Cosmic Tom, Gerhard Polt und Bezirkstagspräsident Josef Mederer (von links).

(Foto: Claus Schunk)

Peter Vaitl, früher Oberarzt in Haar, realisiert schon lange Kulturprojekte für Menschen mit und ohne Psychiatrie-Erfahrung

Interview von Udo Watter

Für ihre Initiative "Kultur am Ostpol" haben Peter Vaitl und Jürgen Michal bei der Premiere im Jahr 2000 einen der drei Tassilo-Hauptpreise erhalten. Gewürdigt wurden sie für ihre Kulturarbeit am Kleinen Theater Haar, die unter anderem den Abbau von Berührungsängsten zwischen Menschen mit und ohne Psychiatrieerfahrungen zum Ziel hatte. Vaitl, 69, damals leitender Oberarzt für Sozialpsychiatrie am Bezirkskrankenhaus Haar, ist noch heute aktiv als eine treibende Kraft hinter der Reihe "Seelen-Art".

SZ: Die Idee, den Ghetto-Charakter der Anstalt abzubauen und Kunst- und Kulturprojekte für seelisch kranke Menschen zu realisieren, war in den Neunzigern neu, quasi eine Pionierleistung.

Vaitl: Natürlich verbanden wir damit auch emanzipatorische Vorstellungen. Mit dem schon in den Achtzigern gegründeten Verein "Regenbogen" und "Kultur am Ostpol" haben wir versucht, eine Öffnung der Anstalt zu erreichen, drinnen und draußen zusammenzubringen.

Und, ist es gelungen?

Wir haben die Leute eingeladen mitzukommen. Aber manche Patienten sind bei Veranstaltungen zwischendurch auch einfach mal raus, um Zigaretten zu rauchen. Es ist nicht alles so gelaufen, wie erhofft, aber die Veranstaltungen erfuhren generell sehr gute Resonanz. Das lag auch daran, dass viele der Kabarettisten, die ich angesprochen habe und die mitgemacht haben, große Künstler waren: Hildebrandt, Polt, Jonas, Zimmerschied oder Fredl Fesl.

Wie bedeutsam war der Gewinn des Tassilo-Preises?

Das war neben den 5000 Mark Preisgeld eine große Anerkennung unserer Initiative, die auch am Klinikum und beim Bezirk besonders wahrgenommen wurde. Vorher wurden wir nicht so beachtet. Und andere Projekte, wie die Idee, Ausstellungen für psychisch beeinträchtigte Menschen unter dem Motto "Seelen-Art" zu organisieren, bekamen von da an neuen Schwung.

Inwiefern?

Es ist jetzt nicht alles auf den Tassilo-Preis zurückzuführen, aber wir wurden beflügelt und teils durch die SZ unterstützt. Seit 2000 gibt es zum Beispiel die offene Kunstwerkstatt Haar, seit 2002 einen Seelenart-Kunstkalender, und wir haben größere Kulturveranstaltungen auch in München realisiert. 2005 anlässlich von "100 Jahre Anstalt" gab es ein mehrtägiges Jubiläumsfestival mit vielen tollen Künstlern.

Haben sich zu den Künstlern, die ja umsonst respektive gegen eine Aufwandsentschädigung auftreten, Freundschaften entwickelt?

Ich habe einige privat gut kennengelernt, Gerhard Polt zum Beispiel. Er ist ja auch Schirmherr von "Seelen-Art". Die spezielle Abo-Reihe "Seelenart", die 2014 startete, gäbe es ohne Dieter Hildebrandt nicht. Ihm ist das am Herzen gelegen, er wollte die Eröffnungsveranstaltung machen. Leider ist er dann im Herbst 2013 verstorben.

Inzwischen im Ruhestand, sind Sie weiter aktiv, was "Seelen-Art" angeht.

Das Kleine Theater wird ja seit 2013 unter der Trägerschaft des SPZ (Sozialpsychiatrisches Zentrum, Anm. d. Red.) betrieben. Jürgen Michal, der langjährige Theaterleiter, ist damals nicht gerade im Guten gegangen. Aber die Zusammenarbeit mit SPZ-Geschäftsführer Markus Witzmann und dem jetzigen Theaterleiter Matthias Riedel ist sehr gut. Es gibt seit einigen Jahren eine Galerie Seelen-Art in der Innenstadt oder den Seelen-Art-Kunstförderpreis.

Kannten Sie, als Sie "Kultur am Ostpol" starteten, das Wort "Inklusion" schon?

Nein, es ist ein Wort, das ich auch heute noch nicht benutze. Aber egal, wie man es nennt: Für uns ist es wichtig, Kulturprojekte zu realisieren, die von Menschen mit und ohne Psychiatrie-Erfahrung gestaltet und besucht werden.

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