Landkreis Erding:Für ein normales Miteinander

Seit der Verleihung des Tassilo-Preises 2016 bekommt der Verein Sovie mehr Aufmerksamkeit - aber nicht von allen

Interview von Thomas Jordan

"Ich kann hier im Kleinen umsetzen, was ich mir für das Große wünsche - ein sinnstiftendes Miteinander. Dass Menschen nicht als Patienten oder gar wie Kriminelle behandelt werden, sondern das Gefühl haben, gebraucht zu werden", sagt Bodo Gsedl vom Verein Sovie (Soziale Verantwortung in Eigeninitiative). Der Taufkirchner Verein mit seinen rund 100 Mitgliedern bemüht sich seit 1999 darum, Hemmschwellen zwischen psychisch kranken und gesunden Menschen abzubauen und sie miteinander ins Gespräch zu bringen. Neben einem öffentlichen Café auf dem Gelände des Isar-Amper-Klinikums, in dem zwölf Patientinnen der forensischen Psychiatrie Taufkirchen arbeiten, geht das vor allem über die Musik. Mit monatlichen Konzerten im Wasserschloss Taufkirchen schafft Sovie Begegnungsangebote. Knapp 40 Prozent psychisch kranke Zuhörer sind im Schnitt bei den Veranstaltungen dabei. 2016 war der Verein der erste Preisträger des neugeschaffenen Sozialpreises im Rahmen des SZ-Kulturpreises "Tassilo". Im Interview berichtet der Vereinsvorsitzende Bodo Gsedl, 58, was sich seitdem getan hat und wie seine Pläne für die Zukunft aussehen.

Welche Bedeutung hatte die Preisverleihung im Jahr 2016 für Sie?

Ich habe die Anerkennung, die mit dem Preis verbunden ist, noch höher eingeschätzt als das Preisgeld. Öffentliche Anerkennung bekommt man ja nicht so häufig, viele sagen ja "nicht geschimpft ist auch schon gelobt." Der Tassilo-Preis bedeutet ja sogar eine professionelle Wertschätzung von einer Jury. Und dass ich dieses Jahr drei Musikformationen bekommen habe, die auch schon auf dem Münchner Jazzfest gespielt haben, das hat sicher auch der Kulturpreis bewirkt. Jetzt konnte ich ihnen den Rahmen einräumen, den sie brauchen.

bodo gsedl

Bodo Gsedl, 58, ist Grafikdesigner und Kunstmaler und lebt in Taufkirchen. Seit 2013 kümmert er sich als Vorstand des Taufkirchener Vereins Sovie um psychisch kranke Menschen.

(Foto: Catherina Hess)

Da kam das Preisgeld von 1000 Euro wohl auch nicht ganz ungelegen.

Kultur kostet Geld. Die Gemeinde und Unternehmen fördern uns, aber ich muss jedes Jahr auch einen fünfstelligen Betrag neu einwerben. Und mit der Professionalisierung unserer Konzerte kommen auch die Kosten für Techniker, Gema-Gebühren und die Übernachtung der Künstler. 1000 Euro ist oftmals die Gage für einen Künstler. Das ist ein großer Beitrag, um ein Konzert zu organisieren.

Werden Sie denn in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen, seitdem Sie Preisträger sind?

Als wir den Preis 2016 bekommen haben, haben mir Leute Glückwünsche geschrieben, die ich vorher gar nicht kannte. Die kamen von weit über den Landkreis Erding hinaus, bis aus Starnberg, Wolfratshausen und Dachau. Und für meinen Kulturbrief mit Ankündigungen zum Konzertprogramm, den ich jeden Monat an 800 Abonnenten verschicke, war der Preis ein wunderbarer Anknüpfungspunkt. Andererseits hätte ich mir von Seiten der Politik mehr Aufmerksamkeit gewünscht. Wäre ich ein Sportler, hätte ich nach der Preisverleihung bestimmt im Rathaus oder im Landratsamt Hände geschüttelt.

Internationales Fest der Kulturen in München, 2017

"Oansno" kommen nach Taufkirchen. Im Juli traten sie beim Fest der Kulturen auf dem Odeonsplatz auf.

(Foto: Catherina Hess)

Bemerken Sie Fortschritte in der Akzeptanz von psychisch kranken Menschen in der Bevölkerung?

Das lässt sich ja nicht messen. Es ist eine Frage der Gewöhnung, es als normal zu betrachten, dass es psychisch kranke Menschen gibt, die bei Veranstaltungen auch mit dabei sind. Die Patienten sind einfach froh, dass sie so eine tolle, anspruchsvolle Musik erleben können und sie genießen, dass sie hier in Gesellschaft "normaler" Menschen sind. Da fängt ein Miteinander an. Über das gemeinsam erlebte Thema der Musik ist es einfacher, auf den anderen zuzugehen und in den Pausen durchmischt es sich dann auch.

Wie geht es mit Sovie in diesem Jahr weiter?

Ab April gibt es jetzt im Wasserschloss eine feste Schlossgastronomie, da kommen dann automatisch mehr Leute her. Da verspreche ich mir schon was davon für unsere Konzerte. Außerdem gibt es bald einen eigenen Zugang zum Festsaal, in dem unsere Konzerte stattfinden, der nicht mehr durch die Pforte der Psychiatrie geht. Da denke ich, dass die Bevölkerung einfacher ins Schloss kommt. Außerdem will ich dieses Jahr mit Crowd-Funding für unsere Veranstaltungen beginnen, um unsere Zielgruppe zu erweitern.

Welches Konzert steht als nächstes auf dem Programm?

Am 12. Januar gibt es junge, fetzige Volksmusik auf hohem Niveau von "Oansno". Neben unserem Kultur-Highlight jedes Jahr, "Jazz im Schloss", will ich in Zukunft stärker ein junges Publikum ansprechen. Und es hat sich gezeigt, dass junge Volksmusik regional sehr akzeptiert ist.

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