Kurzkritiken zu den Kinostarts der Woche:Von der Sehnsucht, weit weg zu sein

Freistatt; Freistatt

Flüchten vor den Erziehungsmaßnahmen in der Anstalt "Freistatt": Wolfgang (Louis Hofmann, links) und Anton (Langston Uibel).

(Foto: © Zum Goldenen Lamm/Boris Laewen)

Wie wird man an einem Ort brutaler Gewalt wie im Film "Freistatt" ein anständiger Junge? Ein junger Marokkaner reist im Drama "Atlantic" über den Ozean. Welche neuen Filme sich lohnen und welche nicht.

Von den SZ-Kinokritikern

Antboy 2

Kann man als Kinderbuchautor eine bessere Idee haben, als Abenteuerroman und Spider-Man-Geschichte zu kreuzen? Dass die kindliche Variation der großen Superhelden aber nur einen Teil des Erfolgs von Kenneth Bøgh Andersens Buchserie ausmacht, zeigt sich in Ask Hasselbalchs Verfilmung: Leichtfüßig wie Marvel-Helden wandeln hier fantasievolle Sidekicks und purpurfarbene Bösewichte neben der pubertierenden Superameise. Annett Scheffel

Atlantic

Es geht ums Windsurfen, nicht um das Warten auf die große Welle, sondern um Eigeninitiative: Ein junger Marokkaner besteigt sein Board vor Essaouira, er segelt die Küste entlang, dann übers Meer Richtung Europa. Von Sehnsucht unterwegs wird erzählt und von Folklore daheim. Mehr als für die Story interessiert sich Jan-Willem van Ewijk allerdings für die Naturfotografie. Doris Kuhn

Das fehlende Grau

Angeblich ein Film über eine Borderlinerin, was aber nie thematisiert wird. So suggerieren Nadine Heinze und Mark Dietschreit nur verschämt, dass die tumultös-perversen Beziehungen dieser Frau zu Männern "nicht normal" sind. Die Reduktion der Figur auf einen Krankenfall wäre ehrlicher gewesen als dieser vage klinische Unterton, der sich nicht zugeben will. Philipp Stadelmaier

Dior und ich

Seit Jahrzehnten bemühen sich Moderedakteure um einen Blick hinter die Kulissen der Haute Couture. Dem Dokumentarfilmer Frédéric Cheng ist jetzt einer gelungen. Er hat Raf Simons bei den Vorbereitungen zu seiner Debüt-Kollektion bei Dior begleitet. Die Luxusmode als hartes Business. (siehe Feuilleton vom Mittwoch). Dennis Braatz

Freistatt

Torfstechen und Schläge statt Mathe und Fußball: Der in Retro-Optik erzählte Film von Marc Brummund basiert auf der wahren Geschichte von Wolfgang Rosenkötter, der in den Sechzigern im niedersächsischen Erziehungsheim Freistatt gedemütigt und misshandelt wurde. Im Film wird er vom jungen Schauspieler Louis Hofmann gespielt, den man sich merken sollte. Aber die Perspektive aus der Sicht des Jungen hat auch einen Nachteil: Die Motivation der Täter wird kaum erklärt. Karoline Meta Beisel

Die Liebe seines Lebens - The Railway Man

Waterboarding und Hochzeitsglocken - das passt schlecht zusammen. Jonathan Teplitzkys Film verbindet die Trauma-Bewältigung eines Veteranen, der als Soldat in einem Kriegsgefangenenlager gefoltert wurde, mit einer Liebesgeschichte: Colin Firth brilliert als gequälter Ex-Soldat, aber Nicole Kidman als seine Frau ist glamourös fehlbesetzt. Der Film beruht auf einer wahren Geschichte, deren Wahrhaftigkeit über einer simplen Rückblendendramatik verloren zu gehen droht. Martina Knoben

Strange Magic

George Lucas beschert der Welt ein paar weitere computergenerierte Figuren: Disney-Regisseur Gary Rydstrom hat nach einer Idee von ihm diesen perfekt animierten, aber seelenlosen Fantasyfilm gemacht, in dem Feen, Käfer und Trolle die Liebe suchen. Zwischendurch singen sie einen Karaoke-Soundtrack, der an Banalität schwer zu überbieten ist, und sagen die klassischen Disney-Moralismen auf. Kathleen Hildebrand

Täterätäää: Die Kirche bleibt im Dorf 2

Nicht mal die Schwäbsche Eisenbahn hält hier: Ober- und Unterrieslingen. Die Nachbarn sind ständig im Streit. Aber wen interessiert das alles? Und wichtiger: Wer versteht, was die schwätzen? In der Fortsetzung von Ulrike Grote gibt es mehr vom Gleichen: Mundart-Humor und viel schaffe, schaffe. Benedikt Frank

Ted 2

Teddybär Ted hat ein Problem: Er will mit seiner Frau ein Kind adoptieren - aber dummerweise gilt er vor dem Gesetz nicht als Lebewesen. Also beginnt eine versoffen-bekiffte Paragraphen-Odyssee, in der Seth MacFarlane, König des Slapstick-Kinos, seinen Bär in den Geltungsbereich der US-Verfassung hievt. So viel Sperma war noch in keinem Gerichtsfilm zu sehen. David Steinitz

Underdog

Hundehorror in Budapest. Zum Kampfhund abgerichteter Vierbeiner zettelt blutige Revolte der Straßenhunde an. Was aus einem vernachlässigten Scheidungskind, der 13-jährigen Lili, und ihrem schnöde ausgesetzten Lieblingshund alles werden kann, stilisiert Regisseur Kornél Mundruczó zur symbolträchtigen Parabel gesellschaftlicher Verwerfungen. Beginnt fernsehspielrealistisch, steigert sich zur schrillen Vision. Rainer Gansera

Verliebt, verlobt, verloren

Verschollene Väter nach mehr als über 50 Jahren aufzuspüren, klingt kompliziert. Es wird nicht einfacher, wenn die Väter in Nordkorea leben. In den 1950er-Jahren schickte das Land seine besten Studenten in die DDR, um sie dort auszubilden. Einige verliebten sich, gründeten Familien - und mussten dann heimkehren. Die zurückgelassenen Kinder haben sich mittlerweile auf die Suche nach ihren Wurzeln gemacht. Einfühlsam aber ohne Pathos erzählt die Dokumentarfilmerin Sung-Hyung Cho diese kaum glaubliche, unerhört traurige Geschichte. Luise Checchin

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