Kurzkritiken zu den Kinostarts der Woche:Russischer Kontrollwahn, westdeutsche Klischees

"Domino Effekt" porträtiert eindrücklich ein Paar im kriegsversehrten Abchasien und "Von jetzt an kein Zurück" rechnet mit den BRD-Erziehungsmethoden der Sechzigerjahre ab. Für welche Filme sich der Kinobesuch lohnt - und für welche nicht.

Von den SZ-Kinokritikern

Cinderella

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(Foto: AP)

Auf den Superheldenfilm "Thor" und den Actionthriller "Jack Ryan" lässt Kenneth Branagh jetzt das klassische Disney-Märchen "Cinderella" folgen, und man darf sich schon fragen, was zum Henker den großen Theatermimen ausgerechnet zu diesem Stoff führte. Doch dann beginnt er gängige Prinzessinnenklischees subversiv zu unterlaufen, mit der überladenen Pracht der Kostüme, dem lässigen Spiel mit der Sprache und vor allem dem gewitzten Einsatz von Animationsszenen. Allein die furiose Rückverwandlung der goldenen Kutsche in einen Kürbis ist ein Kabinettsstück der Sonderklasse.

Domino Effekt

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(Foto: Piotr Rosolowski)

Rafael Ampar liebt seine Heimat Abchasien. Und russische Frauen - derzeit Natascha, eine ehemalige Opernsängerin. Sie zieht zu ihm, in das kleine kaukasische Land. Die Dokumentarfilmer Elwira Niewiera und Piotr Rosolowsk porträtieren sehr eindrücklich ein Paar, dessen Konflikte die der Umgebung widerspiegeln. Abchasien wird nur von vier Ländern der Erde als eigenständiger Staat anerkannt. Einst Teil von Georgien, dann Auslöser für einen Krieg mit Russland im Jahr 2008, heute Teil von Putins großrussischen Machtplänen und auf russische Subventionen angewiesen. Das Leben erscheint hier unveränderlich.

Leviathan

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(Foto: AP Photo/Sony Pictures Classics)

Die Regeln sind hart im Nordwesten Russlands, an der Barentssee. Hier herrscht Überlebenskampf - auch in der Gesellschaft. Wenn du ein Wal bist, bleib weg von der Küste, und wenn du ein Mensch bist, bleib weg von der Macht. Sonst wirst du stranden wie Nikolai, der Automechaniker, der dem Bürgermeister in die Quere kam. Eine düstere Parabel vom allmächtig-korrupten russischen Staat mit biblischen Hiob-Bezügen, aber nicht nur - Andrej Swjaginzew fängt auch die Vitalität der Menschen überzeugend ein. Die ausführliche SZ-Filmrezension lesen Sie hier. Die SZ-Videorezension "Zoom - Die Kinopremiere" sehen Sie hier.

Das Mädchen Hirut

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(Foto: Ad Vitam)

Ein vierzehnjähriges Mädchen vom Lande wird vergewaltigt, was in Äthiopien einem Heiratsantrag gleichkommt. Als sie am nächsten Morgen ihren Peiniger erschießt, droht ihr die Todesstrafe. Eine mutige Anwältin kämpft in der Stadt um ihre Rechte und leitet damit eine Verbesserung der Lage der äthiopischen Frauen ein. Zusammen mit der wunderbaren Laiendarstellerin Tizita Hagere erzählt Zeresenay Berhane Mehari, der das Filmhandwerk in den USA gelernt hat, diese reale Geschichte mit einer leisen Eindringlichkeit, die das Leiden des Mädchens anprangert und zugleich die archaische Kultur seiner Heimat beleuchtet.

Die Trauzeugen AG

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(Foto: dpa)

Jimmy Callahan (Kevin Hart) rüstet heiratswillige Einzelgänger wie Doug (Josh Gad), mit gekauften Trauzeugen aus, die so tun, als seien sie schon ewig mit dem Bräutigam befreundet. Dass dabei auch echte Männerfreundschaft entstehen könnte, ist die Idee dieses "Bromance"-Kozepts, dass sich aber leider schnell in Schwulenwitzen und sinnfreien Intermezzi verliert.

Von jetzt an kein Zurück

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(Foto: Salzgeber & Co. Medien GmbH)

BRD-Provinz 1967. Krass autoritärer Spießer-Papa (Ben Becker) lässt es sich nicht nehmen, selbst zu kontrollieren, ob seine rebellische Tochter (Victoria Schulz) noch Jungfrau ist. Christian Froschs Horrorshow zum Erziehungsterror der späten 1960er Jahre, insbesondere dem kirchlicher Erziehungsheime, lässt kein Klischee aus und rennt mit grimmiger Miene längst offene Türen ein. Abrechnung im Trash-Format.

Willkommen auf Deutsch

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(Foto: brown sugar)

In einem 400-Seelen-Dorf südlich von Hamburg sollen 53 Asylbewerber untergebracht werden. Ländliche Idylle, bürgerliches Ambiente, moderate Streitkultur. Die Dokumentaristen Hauke Wendler und Carsten Rau werfen keinen Blick ins Herz der Finsternis, sondern eröffnen einen nachdenklichen Diskurs zur Asylfrage, indem sie den Ängsten und Vorurteilen Beispiele empathischer Hilfsbereitschaft entgegenhalten.

© SZ vom 12.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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