Kurzkritiken zu den Kinostarts der Woche:Krisen unterm Tannenbaum

Hannes hat Clara betrogen und Klaus weiß nicht, ob er heiraten soll: "Alles ist Liebe" zeigt Beziehungsprobleme in der Weihnachtszeit. Für welche Filme sich der Kinobesuch lohnt - und für welche nicht.

Von den SZ-Kinokritikern

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Alles ist Liebe

Was soll Clara (Heike Makatsch) nur tun?

Quelle: dpa

Leise rieselt der Schnee auf sechs Pärchen und ihre vorweihnachtlichen Lebens- und Liebeskrisen. Nora Tschirner darf wieder das supersüße Mädchen von Nebenan sein und Wotan Wilke Möhring den Beziehungstölpel geben. Markus Gollers starbesetzes Remake einer niederländischen Fest-der-Liebe-Schnulze mixt die Schicksale und Rührseligkeiten in den Jux einer Jingle-Bell-Xmas-TV-Show mit Happyend-Garantie.

Rainer Gansera

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Dritte Person

Liebesverstrickungen treffen auch Rick und Sam.

Quelle: dpa

Drei Geschichten über Liebe, Verrat und Verlust. Nachdem Paul Haggis in "Crash" verschiedene Positionen zum alltäglichen Rassismus in Los Angeles virtuos verknüpfte, spannt er in "Dritte Person" ein verkrampftes Netz von Liebesverstrickungen zwischen Paris, Rom und New York. Auf dem Reißbrett des Autors werden wunderbare Schauspieler wie Liam Neeson, Olivia Wilde, James Franco, Mila Kunis, Kim Basinger und Adrien Brody zu beliebig herumgeschobenen Schachfiguren. Statt sie zu beflügeln, wird die Konstruktion zum Korsett für die Geschichten und der gescheiterte Autor, den Liam Neeson spielt, wird unfreiwillig zum Alter Ego des Regisseurs.

Anke Sterneborg

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The Drop

Matthias Schoenaerts und Tom Hardy auf Konfrontationskurs.

Quelle: Barry Wetcher, SMPSP

Ein Film wie eine lange Nacht in einer schummrigen Bar in Brooklyn, wo sich die Geschichten von Liebe und Verbrechen schleichend aus dem Dunst von Zigaretten und Whiskey lösen. Den Stoff für den ersten amerikanischen Film des Belgiers Michael R.Roskam (Bullhead) lieferte Dennis Lehane, der hier seine Heimat Boston gegen den Bauch von Brooklyn eintauscht. Die versehrten Menschen in unterschiedlichen Stadien von Resignation und Rebellion werden von tollen Schauspielertypen wie Tom Hardy, James Gandolfini, Noomi Rapace und Matthias Schoenaerts intoniert.

Anke Sterneborg

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Finn und die Magie der Musik

Finn findet den richtigen Lehrmeister.

Quelle: ©Pief Weyman/pief.ca

Der neunjährige Finn (hinreißend: Mels van der Hoeven) will nicht zum Fußballtraining, sondern Violine spielen, denn der Zauber der Musik erweckt Bilder seiner verstorbenen Mutter zum Leben. Frans Weisz' belgisch-niederländischer Kinderfilm schwankt zwar eigentümlich zwischen Trauerarbeit-Melodram und Märchenspiel, ist aber als Portrait eines träumerischen Außenseiter-Jungen von ergreifender Intensität.

Rainer Gansera

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Im Keller

SM-Studio, Wohnung, Hobbyraum - jeder nutzt seinen Keller anders.

Quelle: Neue Visionen/dpa

Schießstand, Altnazi-Treffpunkt, Fitnessraum oder Sado-Maso-Studio: Ulrich Seidl ist den Österreichern in die Keller und ins Unterstübchen gestiegen; die Fälle Kampusch und Fritzl haben ihn inspiriert auf die Idee gebracht. Unter den Vorstadt-Häusern der Leuteder Buchsbaumhecken-Häuschenzu schauen. Dort findet er Dokumentarfilmer eine Parallelwelt, Sex-, Macht-, Gewaltphantasien werden hier ausgelebt. Was Seidl dort (mit)inszenierend dokumentiert. Was Seidl da teils inszeniert, teils dokumentiert, kann man scheußlich finden - oder als Wunderwelt des Menschlichen schaudernd bestaunen.

Martina Knoben

6 / 12

Magic in the Moonlight

Was ist Sophies Geheimnis?

Quelle: dpa

Woody Allen ist wieder in Frankreich unterwegs. An der glitzernden Côte d'Azur hält eine hübsche Amerikanerin (Emma Stone) spiritistische Sitzungen ab, der Zauberkünstler Stanley (Colin Firth) soll sie als Betrügerin entlarven, verknallt sich aber gnadenlos. Das Problem: Allen entzaubert in seinem Skeptizismus-Wahn jegliche Magie zwischen den beiden und frönt lieber fröhlich dem Nihilismus.

Die ausführliche SZ-Filmrezension lesen Sie hier.

David Steinitz

7 / 12

Paddington

Ungewöhnliches Team: Bär Paddington begeistert sie alle für sich.

Quelle: dpa

Pünktlich zu David Camerons strengen Vorgaben zur Einwanderung trifft der vielgeliebte Bär Paddington, Asylant aus dem dunkelsten Peru, in der Verfilmung von Paul King in den Kinos ein. Unter Missachtung der Asylprozeduren wird er ins typische Mittelstands-GB integriert. Kulturen-Clash, Chaos & Intrige, fremdenfeindlich und taxidermisch. Fazit: "Kaum jemand trägt einen Hut oder sagt Hallo."

Fritz Göttler

8 / 12

The Second Game

Der Vater des Regisseurs war im Fußballspiel der Schiedsrichter.

Quelle: Arsenal Institut

Found footage aus Rumänien. Eine Aufzeichnung eines Fußballspiels, Dezember 1988. Der Verein der Securitate gegen den der Armee. Adrian Porumboiu hat das Spiel gepfiffen, und schaute es sich, eine Revolution und ein Vierteljahrhundert später, mit Sohn Corneliu an, einem der Meister des vertrackten Doppelspiels. Kommentieren, erinnern, schweigen. Fußball elementar im Schnee, bis aufs Blut.

Fritz Göttler

9 / 12

The Unforgiven

Ken Watanabe spielt wieder einen Samura.

Quelle: dpa

Zwei ehemalige Samurai ziehen noch einmal in den Kampf, um die Ehre einer Hure wiederherzustellen. Japan ist im Umbruch, Schwerter weichen Schusswaffen, was die Gewalt nicht verringert, auch nicht die Melancholie. Regisseur Sang-il Lee transformiert einen Eastwood-Western und zeigt mit wesentlich weniger Koketterie als das Original, was passiert, wenn Killer alt werden.

Doris Kuhn

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Von Mädchen und Pferden

Die Mädchen entdecken ihre gemeinsame Liebe zu Pferden - und zu sich selbst.

Quelle: Salzgeber

Die schwer erziehbare Alex wird von ihrer Adoptivmutter für ein Praktikum auf einen Pferdehof am Meer geschickt. Die Landschaft und die Arbeit mit den sanften Tieren wirken beruhigend auf den "troubled teen". Aber auch die gleichaltrige, pferdevernarrte Kathy weckt Alex' Interesse. Angenehm zurückhaltend erzählt Monika Treut von der Entdeckung der Liebe unter Frauen.

Laura Hübner

11 / 12

Wiedersehen mit Brundibár

Besondere Begegnung: Eine Annäherung an das Unfassbare im KZ Theresienstadt.

Quelle: Joachim Gern

Über den Holocaust reden - muss das sein? Unbedingt, findet Dokumentarfilmer Douglas Wolfsperger, und zeigt, wie eine Annäherung an das Unfassbare funktionieren kann. Er begleitet eine Jugendtheatergruppe, die die Kinderoper "Brundibár" einstudiert, die im KZ Theresienstadt uraufgeführt wurde. Dabei treffen die Jugendlichen auf Greta Klingsberg, die damals im KZ mitspielte. Eine spannende, fruchtbare Begegnung.

Martina Knoben

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Wo ich wohne

Zwischen Doku und Fiktion: Ein Film für Ilse Aichinger.

Quelle: Film Kino Text

Auf der Suche nach den Beweggründen ihres Schreibens: Zitate aus Gedichten, Erzählungen, Briefen an die Schwester, die 1939 nach London flüchten konnte, während sie mit der jüdischen Mutter in Wien zurückblieb. Christine Nagels Hommage an die Schriftstellerin Ilse Aichinger ist ein faszinierendes Kaleidoskop aus Spielszenen und dokumentarischen "Erinnerungsblitzen".

Rainer Gansera

© SZ vpm 04.12.14/danl
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