Kurzkritiken zu den Kinostarts der Woche:Böse Vergleiche mit der Wirklichkeit

"Black Sea" zeigt Kapitalismus in seiner miesesten Ausformung, Jude Law taucht nach versunkenem Nazigold und "Anderswo" hat Sinn für alltägliche Absurditäten. Für welche Filme sich der Kinobesuch lohnt - und für welche nicht.

Von den SZ-Kinokritikern

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Anderswo

Anderswo Film Neta Riskin

Quelle: Film Kino Text

Familie, Heimat, der Ballast deutsch-jüdischer Beziehungen - viele Filme sind bereits für eines dieser tiefschürfenden Themen zu klein. Trotzdem versucht sich Ester Amrami in ihrem Debütfilm gleich an allen auf einmal. Das ist einerseits zu viel der Liebesmüh, anderseits hat lange niemand den Schwebezustand einer jungen Frau in der Identitätskrise (Neta Riskin) so leichtfüßig, mit so viel Sinn für alltägliche Absurditäten erzählt wie die in Berlin lebende israelische Filmemacherin.

Annett Scheffel

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Birdman

Birdman im Kino

Quelle: dpa

Alle Jahre wieder begeistert sich die Oscar-Academy für einen Film, der irgendwie das eigene Geschäft entlarvt und zugleich feiert. Diesmal liegen Alejandro Gonzales Iñárritu und sein Star Michael Keaton perfekt im Rennen - mit der Story eines bankrotten ehemaligen Superhelden-Darstellers, der alles auf ein todernstes Comeback am Broadway setzt. Böse Vergleiche mit der Wirklichkeit sind hier erwünscht - der Film ist randvoll mit tollen kleinen Beobachtungen über Kunst, Kommerz, Prominenz und Prätention. Und eine superheldenhafte Flugsequenz gibt es auch noch.

Eine ausführliche Rezension lesen Sie hier.

Tobias Kniebe

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Black Sea

Kinostart - 'Black Sea'

Quelle: dpa

Jude Law steigt in sein U-Boot. Aber kommt er auch wieder heraus? Selten war ein Film aus dem Submaringenre so deprimierend, so rostig, so abgefeimt. Der Kapitalismus in seiner miesesten Ausformung, Kevin Macdonald hat seine Helden aus den schlimmsten Loser-Pötten geholt, abgewrackte englische und russische Seeleute. Sie sind hinter dem ältesten MacGuffin her - versunkenem Nazigold.

Fritz Göttler

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Bonne nuit Papa

Bonne nuit Papa Marina Kem

Quelle: Drop-Out Cinema

Wie viel Verschwiegenheit darf ein Vater seinem Kind zumuten? Und wie intensiv darf das Kind nach dem Tod des Vaters dessen Leben erforschen? Mit diesen Fragen sieht sich der Zuschauer von Marina Kems Dokumentarfilm konfrontiert. Ihr Vater reiste vor 50 Jahren zum Studium aus Kambodscha in die DDR - und blieb. Er verließ seine Verwandten, entkam dafür aber den Roten Khmer, er gründete eine Familie, zog sich jedoch immer weiter zurück und verstummte. Der Film rekonstruiert seinen Blick auf die neue Heimat, kommt allerdings nicht dahinter, was in diesem Mann wirklich vorging.

Kai Spanke

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Die Böhms

Die Böhms Maurizius Drux Gottfried Elisabeth Böhm Real Fiction Filmverleih

Quelle: Maurizius Staerkle Drux

Von Architektur zu erzählen, ist häufig spröde. Egal ob in Ausstellungen, Büchern oder Filmen, oft verliert sich der Blick auf Gebautes im Detail und ist dadurch nur für Spezialisten interessant. Anders ist es bei dem Dokumentarfilm "Die Böhms - Architektur einer Familie". Denn hier hat der junge Regisseur Maurizius Staerkle-Drux den Fokus radikal verändert, weg von den Bauten, hin zu dem, was die bekannteste Architektenfamilie Deutschlands zusammenhält. Da geht es um Rivalität zwischen den drei Brüdern, die ebenfalls Architekten geworden sind, die Energie des heute 95-jährigen Patriarchen Gottfried Böhm und die große Liebe zu seiner Frau. Entstanden ist dadurch ein faszinierend unmittelbares Porträt, in dem zwar die architektonische Fußnoten fehlen, dafür aber die Kraft der Entwerfer sichtbar wird.

Laura Weißmüller

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Da muss Mann durch

Da muss Mann durch Warner Film

Quelle: Warner

Schon "Mann tut was Mann kann" zelebrierte den derb unbeholfenen Humor geschlechtsreifer Männer um die 40. Im unvermeidlichen Sequel, das eine leidlich erfolgreiche, deutsche Komödie nach sich zieht, versammeln sich die vier sympathischen Hallodris unter Pauls Führung (Wotan Wilke Möhring, Jan Josef Liefers, Fahri Yardim und Oliver Korittke) ganz zufällig auf Mallorca. Im High Society-Anwesen von Pauls Verleger-Chef zettelt Marc Rothemund unter dem Regie-Alias Thomas Lee hanebüchene Verwicklungen um die große neue Liebe (Julia Jentsch) und das ungeborene Kind ihres Ex an.

Anke Sterneborg

7 / 11

Fünf Freunde 4

Fünf Freunde 4 Mike Marzuk Constantin

Quelle: Constantin

Seit 2012 treten die deutschen Stellvertreter von Enid Blytons fünf Freunden alljährlich ihre Kinoferienreise an. Da die Kids älter und anspruchsvoller werden, erweitert sich der norddeutsch enge Radius ihrer Krimiabenteuer, nach Thailand im dritten Teil geht es in der vierten Runde nach Ägypten, wo es eine Geheimloge in Kapuzenmänteln unter Führung von Mehmet Kurtulus auf Pharaonengrabschätze abgesehen hat. Doch die grandiosen Wüsten- und Altstadtszenerien können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Mike Marzuk die bewährten Muster schwerfällig und uninspiriert herunterkurbelt.

Anke Sterneborg

8 / 11

John Wick

Kinostart - 'John Wick'

Quelle: dpa

Einem Mann sein Mädchen wegzunehmen - gefährlich. Aber wenn sein Hund dran glauben muss, ist wirklich Schluss mit lustig. Racheengel Keanu Reeves schießt, boxt, tritt und sticht sich deshalb durch die Russenmafia, die sich an seinem unverschämt niedlichen Beagle-Welpen vergangen hat. Und das inszenieren die Ex-Stuntmen Chad Stahleski und David Leitch genau so, wie man sich das Regiedebüt von zwei Ex-Stuntmen vorstellt.

David Steinitz

9 / 11

Die letzten Gigolos

Die letzten Gigolos

Quelle: Neue Visionen

Das letzte Gehege der Gigolos ist das Kreuzfahrtschiff. Stephan Bergman folgt in seinem Dokumentarfilm zwei Herren im Rentenalter, die für die Dauer einer Reise den Eintänzer geben und zwei Damen, die ihren Service gern in Anspruch nehmen. Überraschendes kommt dabei nicht heraus, und die Tonspur - da dudelt meist die Schiffsband vor sich hin - ist schwer gewöhnungsbedürftig.

Susan Vahabzadeh

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Los Angeles

farbfilm Los Angeles

Quelle: Photo by Yvette Cruz; farbfilm

Alle wollen weg aus dem mexikanischen Kaff, in dem der 17-jährige Mateo lebt. Sie träumen von L.A.: Los Ángeles, wie sie hier sagen. Mateo schließt sich einer gefährlichen Gang an - die soll ihm helfen, wenn er dort ist. Um die Schlepper zu bezahlen, wird er aber schon daheim zum Kriminellen. Regisseur Damian John Harper zeigt, was die Hoffnung auf ein besseres Leben anderswo mit einem Dorf und seinen Bewohnern macht - schade, dass der Funke dabei nicht richtig überspringt.

Karoline Meta Beisel

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Red Army

Red Army Gabe Polsky

Quelle: Weltkino

Ihr Spiel schillerte zwischen Kunst und Krieg: Gabe Polsky (Co-Produzent Werner Herzog) erzählt die unglaubliche Erfolgsgeschichte der sowjetischen Eishockey-Nationalmannschaft der 70er und 80er Jahre. Anders als der deutsche Untertitel suggeriert, geht es dem Amerikaner mit russischen Wurzeln nicht um tumbe Heldenverehrung. In Zeitzeugen-Interviews und Original-Szenen zeigt Polsky die Schönheit des Spiels - und deckt die Unbarmherzigkeit eines Systems auf, das die Athleten zu Erfolgsmaschinen drillte. Aktuelles Politkino im sportlichen Gewand.

Johannes Schnitzler

© SZ vom 29.01.15/cag/rus
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